Stockholm, Skansen, Schauer, Surikat, Schlangen- und Spinnenrendez-vous, Schärenmeer

„Allein schon wegen der Enten, würde ich dort hingehen“, schwärmte unser Jüngerer und schaute zusammen mit seinem Bruder versonnen auf ganz ordinäre Stockenten, welche sich in einem kleinen Teich am Eingang des weltweit ältesten und größten Freilichtmuseums träge bewegten. Das Skansen wurde bereits im Jahre 1891 gegründet und bietet neben 150 typischen Bauern- und Herrenhäusern auch ein Wildgehege mit skandinavischen Tieren. Zunächst war ich etwas konsterniert, dass es quasi als Tierpark im Tierpark-Konzept noch einmal einen relativ happigen Eintritt zu entrichten gibt, will man in diesem noch ein höchst atmosphärisch eingerichtetes Aquarium, Terrarium oder auch verschiedene Affen aus der nächsten Nähe beobachten, aber nachdem unser Älterer bereits beim ersten Blick auf eine der geschäftig herumwuselnden und immer wieder Männchen machenden Meerkatzen – im Schwedischen werden diese mit dem klangvollen Namen „Surikat“ bezeichnet- , „so süüüüüß!“, ausrief, gönnte ich uns quasi als Highlight an meinem Geburtstag auch noch diesen Eintritt.

Und bereits bei den ersten Tieren bereuten wir die Investition nicht, waren wir doch noch nie so nah an Lemuren dran. Man musste sich sehr zusammenreißen, dass man nicht die Hand zum Streicheln ausstreckte, so nahe waren diese bei einem. Allerdings hielten uns nicht nur die Schilder mit dem Streichelverbot – da eine Beißgefahr drohen würde – davon ab, sondern auch der – zumindest wie wir Menschen dies interpretieren würden – grimmig stechende Blick dieser Spezies.

So begnügten wir uns damit, diese faszinierenden Tiere aus allernächster Nähe zu beobachten, welche sich in einem großen Gelände völlig frei bewegen konnten, bevor wir gleich zu den possierlichen Meerkatzen/Surikats kamen. Danach standen wir einzig durch eine Glasscheibe getrennt vor zwei imposanten kubanischen Krokodilen, über die wir erfuhren, dass bereits seit den 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die USA ein Einfuhrverbot bezüglich dieser kubanischen Krokodile erlassen hat, da diese als „kommunistische Tiere“ zählen.

So kann sich der Stockholmer Skansen umso glücklicher schätzen, dass die beiden (oder vielleicht auch nur eines der Krokodile) regelmäßig äußerst zuverlässig Eier legen und damit in Europa selbst unter Umgehung des amerikanischen Einfuhrverbots für den Nachwuchs sorgen. Und dank der pädagogisch bestens aufbereiteten Erklärungen, welche neben dem Schwedischen glücklicherweise auch immer in einer englischen Zusammenfassung dargeboten werden, lernten wir zudem, dass diese Krokodile sogar um die 60 Jahre alt werden können.

Das nächste Novum wartete bereits im nächsten Raum in Form einer giftigen Tarantel sowie einer Boa constrictor, welche Jung und Alt berühren durften. Die Jungs fühlten mit Begeisterung, aber auch von dem nötigen Respekt erfüllt, die ganz spezielle beschaffene Schlangenhaut an. Ich war sehr beruhigt zu sehen, dass die Schlange, welche sich züngelnd immer weiter aus der Kiste herausbewegte, nicht nur immer wieder vorsichtig zurückgesetzt wurde, sondern auch bald wieder ihre Ruhe vor allen menschlichen Berührungen hatte, in ein mit einem Tuch abgedecktes Terrarium gesetzt wurde und ihre Schlangenkollegin für eine kurze Zeit allen als optisches und haptisches Anschauungsexemplar dienen durfte.

Hege ich persönlich gegenüber Spinnen aller Arten keine besondere Zuneigung, fühlte ich den Kindern zuliebe anschließend sogar kurz die Hinterbeine einer giftigen Tarantel an, deren Biss wohl beruhigenderweise in keiner Art tödlich wirken würde, sondern eher mit einem Wespenstich zu vergleichen ist. Insgesamt war gerade das Stelldichein mit der Schlange eine absolute Premiere für uns drei, mit der wir in dem ältesten Freilichtmuseum der Welt definitiv nicht gerechnet hätten.

Nach meinem Eindruck sorgt Stockholm in all diesen Gehegen für eine ausgesprochen artgerechte Haltung mit unglaublich vielen Freiräumen für die einzelnen Tiergruppen. Wir entdeckten in der Nähe des Ausgangs sogar, wie die putzigen Meerkatzen in Form einer durchsichtigen langen Plexiglasröhre nach Herzenslust jederzeit die Möglichkeit hatten, von ihrem riesigen Gehege aus in das der Paviane zu gehen.

Die Paviane erheiterten uns wie gewöhnlich sehr, von ganz Jungen, welche sich an ihre Mütter auf dem Rücken oder auch am Bauch festklammerten bis zum altehrwürdigen Opa hin, welcher bedächtig das gesamte Geschehen beobachte. So waren alle Altersgruppen und verschiedene Charaktere vertreten. Der Jeep, welcher dem Zoo von einem schwedischen Prominenten gestiftet wurde, sieht nicht nur sehr fotogen inmitten des Paviangeheges aus, sondern schien auch den Affen während ihres Herumtollens große Freude zu machen.

Es war schon eine geraume Zeit vergangen und wir hatten uns bis jetzt ausschließlich mit Tieren von anderen Kontinenten beschäftigt. So wurde es höchste Zeit, dass wir die nordeuropäische Spezies aufsuchten und auch das eine oder andere typische schwedische Haus zu Gesicht bekamen, ehe mein Fuß komplett streikte oder aber auch die Uhr uns zum Rückweg zwang.

Der oben erwähnte Vorteil der großen Freiräume für die Tiere sollte uns bei den ersehnten skandinavischen Exemplaren erst einmal zum Nachteil gereichen, da wir überhaupt keine Elche zu sehen bekamen. Und auch die gewünschten Braunbären und Seerobben ließen sich nicht blicken. Da traf es sich gut, dass die Jungs bereits wieder einen Mittagsessenshunger verspürten und wir uns auf einem Felsen in der Nähe des riesigen Elchgeländes niederließen in der Hoffnung, dass unsere Geduld belohnt werden würde.

Und tatsächlich bekamen wir nach einer etwa halbstündigen Wartezeit zwar kein männliches Exemplar der für Schweden symbolischen und größten Landtiere zu Gesicht, dafür erwarteten uns jedoch mehrere Elchkühe, eine davon sogar mit einem ganz Jungen. Mussten wir leider auf die Anwesenheit der zweiten von mir so ersehnten Tiere, in Form der Rentiere, gänzlich verzichten, da deren Gehege das gesamte Jahr 2025 umgebaut wird, wurden wir quasi als weiteres Geburtstagsgeschenk mit dem Beobachten der faszinierenden Elchkühe aus allernächster Nähe belohnt.

Wo Licht ist, fällt auch leider Schatten und so war ich doch tatsächlich sehr verwundert und verärgert, als ich eine Zeit lang beseelt die Elche bestaunt hatte und neben mir die gesamte Zeit ausreichende Platz für einige andere Besucher gewesen wäre, von einem englischsprachigen Vater völlig aus dem Nichts übelst beschimpft worden bin, was mir denn einfiele, so lange vor den Elchen stehen zu bleiben und dass ich doch den anderen Platz machen sollte.

Bizarrerweise stellte er sich, nachdem ich völlig irritiert mehrere Schritte zurückgetreten war, nicht etwa an meinen Platz, sondern stapfte echauffiert und zwei Kleinkinder in einem Fahrradanhänger schiebend des Weges weiter. Konnte ich dieses Verhalten beim besten Willen nicht nachvollziehen, war ich von einer weiteren Begebenheit etwas peinlich berührt, auch wenn uns nicht direkt eine Schuld traf.

So fiel die Kehrliebe unseres Älteren, der mit größter Ausdauer und Akkuratheit mit langen Ästen den gesamten Weg fegte, negativ auf. So wurde er von einer Rangerin dazu aufgefordert, bitte keinen dieser Äste mehr zu nehmen, da diese alle als Futter für die Elche dienen und sobald Menschen diese anfassen würden, die Tiere krank werden könnten.

Auch wenn wir zeitlich und fußschmerzmäßig bedingt nur noch in einige wenige traditionelle schwedische Häuser und eine Kirche einen Blick werfen konnten und zwischendurch von heftigen Schauern immer wieder durchnässt wurden, können wir einen Besuch im Skansen uneingeschränkt empfehlen, bietet er doch wirklich für alle Altersgruppen einzigartige Erlebnisse an. In einer Schauerpause erlebten wir sogar noch, wie eine kleine Musikantengruppe vor historischen Häusern traditionelle Musik spielte und dazu sang.

Lieber Johannes, ich wäre so gerne auch noch deiner Empfehlung gefolgt, die deutsche Kirche von innen zu sehen, vor deren Fassade wir am Tag zuvor deiner eingedenk bereits standen, diese jedoch leider geschlossen hatte, aber wir nahmen uns ausnahmsweise deinen uns empfohlenen Sinnspruch „weniger ist mehr“ zu Herzen und verzichteten einem längeren Aufenthalt im Skansenpark zuliebe auf einen nochmaligen Stadterkundigungsgang, auch wenn es mir sehr schwerfiel.

An meinem diesjährigen Geburtstag verlief alles ganz untypisch und auch, wenn ich all die lieben Freundinnen, Freunde und Familienmitglieder zum Mitfeiern vermisst habe, war es doch etwas ganz besonders – zur Feier des Tages sogar mit einem Cocktail in der Hand – die wettermäßig relativ wechselhafte, aber auf alle Fälle unbeschreiblich schöne, etwa 5-stündige Schärenausfahrt vom trockenen Schiff aus zu genießen und sich dabei noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, dass das Stockholmer Schärenmeer aus unvorstellbaren 24.000 – 30.000 Insel(che)n besteht.

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