
Auch die temporäre Abwesenheit der Zwillinge, welche dieses Jahr Silvester zu Hause feiern wollten, da sie nur dort Feuerwerk und Böller zünden dürfen – ich halte von all diesen Sachen so überhaupt nichts – und erst am Neujahrstag von uns am Bahnhof in Radolfzell abgeholt wurden, ist kein Garant für schlafreiche Nächte. So bin ich extra nach zwei abendlichen Korrekturstunden, in denen ich mich den von zu Hause mitgeschleppten Schülerarbeiten gewidmet hatte, bereits kurz vor Mitternacht ins Bett gegangen, wo an Schlafen jedoch nicht zu denken war, wälzte sich die mittlere Tochter doch in dem ohnehin sehr schmalen Doppelbett unentwegt von einer Seite auf die andere. Ich schwankte zwischen (Selbst)mitleid und Zorn und fragte gegen 0.30 Uhr dann doch einmal, ob ich ihr irgendwie behilflich sein könne.

Offenbar war ein gänzlich trockener Hals in Verbindung mit einer Erkältung der Grund für das ruhelose Rumwälzen und die Schlaflosigkeit, so dass ich mich seufzend wieder aus dem Bett erhob und in Festbeleuchtung die stets von mir üppig bestückte Reiseapotheke in allen Koffern suchte, deren Inhalt ich stets in eines meiner zahlreichen Leinensackerl verstaue. Selbstverständlich wurde ich hierbei erst bei dem allerletzten Sackerl fündig. Ich reichte unserer Tochter die pflanzliche Arznei in Hoffnung auf Besserung und war selbst natürlich nach dieser Suchaktion für lange Zeit wieder hellwach.

Dennoch ließen wir es uns nicht nehmen, am nächsten Tag früh auszuchecken und uns zur Königin aller Berge, von der bereits der bekannte amerikanische Schriftsteller Mark Twain geschwärmt hat, zu begeben. Allerdings zogen wir aufgrund meiner großen Schmerzen die Zahnradbahn der Bergbesteigung zu Fuß vor. Und diese Zahnradbahn, die stündlich von Vitznau verkehrt und innerhalb von 40 Minuten an die 1500 Höhenmeter bezwingt, darf sich rühmen, die erste Bergbahn Europas zu sein. Wir fuhren allerdings mit einem neueren Modell.

Hatte uns im Tal noch wie in den vergangenen beiden Tagen eine dicke, unauflösliche Nebelsuppe unerbittlich begleitet, die kaum einen Meter vom Vierwaldstättersee freigab, durchstießen wir nach wenigen Minuten mit der Zahnradbahn plötzlich die dichte Nebelwolke und wurden von einer strahlend schönen Sonne kraftvoll gewärmt. Als die Zahnradbahn außerplanmäßig einen kurzen Zwischenhalt einlegen musste, verstanden wir peinlicherweise die Begründung dafür besser auf Englisch als in dem zuerst vorgetragenen Schwyzerdütsch.

Zum Genießen der phänomenalen Aussicht brauchte man jedoch sowieso keinerlei Sprachkenntnisse, dafür wären rutschfeste Schuhe von großem Vorteil gewesen. Obwohl ich selbstverständlich allein schon aufgrund meiner Fußprobleme festes Schuhwerk trug, amüsierte sich unsere Tochter königlich über mich, die ich tatsächlich mit absoluten Minitippelschritten den kurzen Weg vom Gipfelkreuz nach unten antrat. Dieser war so rutschig, dass ich stets fürchtete, dabei auszurutschen und mich auf diese Weise wirklich nur millimeterweise vorrobbte.

Da hätte ich definitiv nicht mit Mark Twain mithalten können, der den gesamten Aufstieg auf die Rigi auf dem klassischen Weg zu Fuß von Weggis über Kaltbad bis nach Kulm bewältigt und anschließend seine humoristische Beschreibung der Rigibesteigung im Buch „Bummel durch Europa“ zum Besten gegeben hat. Damals galt offenbar für alle Schweizurlauber: „Keine Schweizer Reise ohne Besteigung der Rigi.“

Wir wandelten dieses Motto um in „Keine Rodelfahrt auf der Rigi“…Wurden uns von einer sehr netten Dame an der Talstation zwar noch die tollsten Rodelstrecken entlang der Rigi präsentiert, bekamen wir es beide jedoch bereits beim Anblick der zahlreichen Schlittenpassionierten, welche allesamt professionell mit Sturzhelm und Skibrille ausstaffiert waren und sich relativ steile Abfahrten herunterwagten, mit der Angst zu tun.

So verbrachten wir tatsächlich nur knappe drei Stunden auf der Königin der Berge, der – wie es unsere Tochter selbst bezeichnete – „Faulheit“ der jüngeren und den Schmerzen der älteren Generation geschuldet, aber immerhin inklusive eines Besuchs der malerischen Felsenkapelle. Der kurze Bergaufenthalt war jedoch zeitlich ideal, hatten wir doch anschließend noch die etwa zweistündige Reise nach Radolfzell zu absolvieren.

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