Kraftfahrzeugprobleme, Konflikte, Kräftemessen, Kühlwasserverlust

Selten startete ich dermaßen belastet in die Sommerferien. Die drückende Last der nicht enden wollenden Aufgaben hat die wunderbare schwebende Leichtigkeit der beginnenden Ferien vollends verdrängt. Dabei stellt die sich die endlose Organisation des individuellen Austauschs mit der französischsprachigen Schweiz noch als einer der leichteren Steine dar.

Auch wenn mir dieser in letzter Zeit einige Schockmomente bescherte, so z.B. als ich erfuhr, dass am Abreisetag der deutschen Schülerinnen und Schüler nach Lausanne plötzlich eine Schülerin auf dem Bahnsteig aufgetaucht war, die auf keiner meiner sorgfältig geführten Listen verzeichnet war und definitiv auch kein Geld für das Bahnticket überwiesen hatte, nun aber Zeter und Mordio schrie, dass – welch Wunder – für sie weder ein Zugticket noch eine Platzreservierung zur Verfügung stand…

Passend zur Ferienzeit haben sich auch Teile unseres 20-jährigen VW-Busses, der mit über 450.000 km bereits eine beachtliche Fahrleistung erbracht hat, in einen Auszeitmodus begeben, so dass ich unsere Bodenseefahrt zusammen mit unseren Söhnen und meiner Mutter bereits mit großer Dauerangespanntheit und Herzrasen angetreten hatte.

Während sich die teilweise im Zweiminutentakt schrill erklingenden Alarmtöne der Öllampe als Fehlalarm herausgestellt hatten, scheinen wir leider tatsächlich eine beunruhigende Kühlwasserproblematik zu haben. Bereits das Öffnen der Motorhaube stellte mich vor Probleme, welche die Zwillinge glücklicherweise schnell im Stande waren zu lösen. Das Öffnen des Kühlwasserbehälters stellte sich jedoch für uns alle als unüberwindbar dar. Der Deckel desselbigen war so ungeheuer fest verschraubt, dass ich nach diversen Öffnungsversuchen massive Schmerzen am Handgelenk davontrug, ohne dass sich der Kühlwasserdeckel auch nur einen Millimeter in die gewünschte Richtung bewegt hätte.

Fluchend mühten wir uns abwechselnd in sengender Hitze schweißüberströmt mit den Öffnungsversuchen ab. Aber weder unsere gesamte eingesetzte manuelle Kraft noch der Gebrauch diverser Werkzeuge wie Zange &Co. brachten uns dem Erfolg auch nur einen Zentimeter näher. Von Minute zu Minute verzweifelte ich mehr, hatten wir doch bereits während der etwa 280 Kilometer langen Autofahrt an den Bodensee merklich an Kühlwasser verloren, das vor der nächsten Fahrt dringend nachgefüllt werden musste.

Zu meinen absoluten Schwächen zählt die mangelnde Fähigkeit, andere Leute um Hilfe zu bitten. Als die Verzweiflung schließlich das Schamgefühl dominierte, befanden sich in unserer Nähe einzig ziemlich vergreiste umherschlurfende Rentner, welche eher der Hilfe beim Schubkarrenschieben ihrer Gartenabfälle zum benachbarten Wertstoffhof bedurft hätten als in der Lage gewesen wären, uns bei der Deckelöffnung behilflich zu sein.

Plötzlich näherte sich ein schwarzer Kleinwagen mit Konstanzer Autokennzeichen, aus dem ein junges Pärchen ausstieg. „Entschuldigen Sie vielmals,“ setzte ich an „aber könnten Sie uns vielleicht kurz beim Öffnen dieses Deckels helfen?“ Die anfängliche Siegessicherheit des jungen, sehr hilfsbereiten Mannes wich von Minute zu Minute einer größer werdenden Resignation. Und während sich die Miene seiner Partnerin aufgrund der Wartezeit immer weiter verfinsterte, bewegte sich der Kühlwasserdeckel keinen Millimeter – weder nach links noch nach rechts.

Da parkte der nächste Kleinwagen mit Konstanzer Nummernschild neben uns und es entstiegen ein Vater mit holländischem Akzent und sein etwa achtjähriger Sohn. Die belebende Konkurrenz und das Kräftemessen zwischen den beiden Männern war entfacht und ungeahnte Kräfte wurden freigesetzt. Allerdings zunächst noch ohne sichtbares Ergebnis, bis der Vater auf die grandiose Idee kam, mit der Zange nicht am Kühlwasserbehälter zu drehen, sondern am – der Drehrichtung entgegengesetzten Ende – mit der Zange zu klopfen. Und endlich, endlich bewegte sich etwas in die ersehnte Richtung.

Wesentlich später als erhofft, aber immerhin mit ganz neu gekauften Schwimmwesten ausstaffiert, herrschte leider nur ausgesprochen kurz Harmonie, bevor eine Kakophonie überhandnahm: „Nein, das ist mein Geburtstagsgeschenk gewesen. Jetzt lass mich endlich paddeln.“ „ Nein, du hast mir fest versprochen, dass ich nun dran bin.“

Als sich die Zwillinge nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder vertragen hatten, war die Dauer der Insulinpumpenfreien Zeit fast abgelaufen. Sollten die Jungs doch maximal zwei Stunden ohne jegliche Insulinzufuhr sein. Insgesamt stellt es mich immer vor große Herausforderungen, im Vorfeld abzuschätzen, wie sich die sportlichen Aktivitäten auf den Blutzuckerverlauf auswirken, so dass sie, auch wenn wir im Wasser keine aktuellen Werte vermeldet bekommen, weder in eine Hypo- noch in eine Hyperglykämie verfallen.

Mit Sicherheit hat unser Tag am Bodensee wenig mit dem klassischem Erholungsbegriff gemein, erlebnisreich gestaltet sich solch ein Aufenthalt auf alle Fälle immer. Ganz viele Sachen, welche ich freiwillig nie ausführen würde, musste ich nolens volens anpacken. So musste das SUP, das sich der Ältere im vergangenen Jahr zum Geburtstag gewünscht hatte, erst einmal funktionstüchtig gemacht werden.

Was beim Aufbau der anderen Wasserliebenden immer ausgesprochen mühelos wirkt, barg bei uns mehrere Schwierigkeiten. Sei es, dass eine Zeitlang aus dem Luftpumpenschlauch deutlich mehr Luft entwich als in das SUP gelangte, sei es, dass sich die so genannte Finne – die kleine Flosse auf der Unterseite – partout nicht arretieren ließ. Als das SUP endlich fahrbereit war, mussten noch beide Katheterstellen der Insulinpumpen wasserdicht verklebt und die neu gesetzten Blutzuckersensoren durch Fixierbänder geschützt werden, was auch stets etwas Zeit und Nerven beansprucht.

Am Ende des Tages war zwar weder eine einzige Seite meines in grenzenlosem Optimismus mitgenommenen Buchs gelesen noch eine Minute des Schlafes, den ich wegen unzähliger Insulinpumpenalarme in der Nacht mal wieder verpasst hatte, nachgeholt, aber wir haben sowohl unsere Expertise im handwerklichen als auch im nautischen Bereich erweitert. Und zudem haben wir uns die bei allen sportlichen Aktivitäten verbrauchten Kalorien – immerhin bin ich den Jungs zuliebe insgesamt 1,5 Stunden neben dem SUP geschwommen und wir gelangten auf diese Weise auch zur Insel Mettnau mit ihrem Aussichtsturm – in mehr als doppelter Menge in Form unterschiedlichster kulinarischer Genüsse wieder einverleibt.

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