Heute befand das Zimmermädchen bereits in aller Herrgotttsfrüh durch energisches Klopfen an der Zimmertür, dass es Zeit sei, das Hotelzimmer freizugeben. Und das nach einer für mich sehr schlafarmen Nacht aufgrund zahlreicher – ärgerlicherweise oft unnötiger, aber leider nicht unterdrückbarer – Insulinpumpenalarmen bei beiden Söhnen. Als ich gestern weit nach Mitternacht mit der Korrektur der Stegreifaufgaben fertig war, musste ich mir erst noch einen Schlafplatz erkämpfen, sind die Jungs doch nicht nur tagsüber ausgesprochen einnehmende Wesen…
So hatten sie offenbar, während ich, nachdem ich ihnen sehr lange vorgelesen hatte, zu später Stunde wie jeden Abend/Nacht auf dem Fliesenboden im winzigen Badezimmer zusammengekauert und mit regelmäßig einschlafenden Füßen aufgrund der unbequemen Sitzposition die Schülerarbeiten korrigierte, damit die beiden das Licht nicht vom Schlafen abhält, beschlossen, dass ein eng einander gekuscheltes Einschlafen auf dem Doppelbett wesentlich gemütlicher sei und hatten mir daher großmütig den auf die Länge von 1,40 m ausgezogenen Schlafsessel überlassen…
Nach dem Frühstück, das wir heute wegen der großen Anzahl der Hotelgäste in der zugigen Hotellobby einnahmen, ließen wir uns von dem Aachener Wetter, das eindeutig dem atlantischen Klima zuzuordnen ist und tage-, bzw. wochenlang für Regen sorgen kann, nicht einschüchtern und erkundeten die Altstadt von Aachen trotz Dauernässe.
Dabei hatten wir in Form meiner Großgroßcousine die allerbeste Reiseführerin, für Kinder wie auch für Erwachsene, die man sie sich nur vorstellen kann. Dank ihrer Erzählungen wirkte der Aachener Dom noch einmal deutlich imposanter und geschichtsträchtiger.
Und während wir vom prachtvollen Inneren mit den beiden Reliquienschreinen, dem prunkvoll verzierten Ambo, den zahlreichen Mosaiken, den wertvollen Spolien aus Rom und Ravenna sowie den äußerst kunstvoll hergestellten bronzenen Schmiedegittern auf der zweiten Ebene des Doms sehr berührt waren, stellte für die Zwillinge wahrscheinlich die sogenannte Wolfstür das Highlight des Doms dar.
Diese Tür, welche ursprünglich einige Meter vorversetzt direkt in das Oktogon des Doms führte, vor dem nun erst einmal die sogenannte Wölfin – welche sich beim näheren Betrachten eigentlich als römische Bärin entpuppt – wartet
, wird als Wolfstür bezeichnet, da zum großen Ärger des Teufels, mit dem die Aachener ein Abkommen geschlossen hatten, damit die Fertigstellung des Doms finanziell gesichert werden konnte, als erstes Lebewesen nicht ein hoher Kleriker das neue Gotteshaus betrat, sondern ein Wolf. Der Teufel war so wütend, dass er den Wolf gegen die Wand schleuderte und den Dom verließ.
Dabei klemmte er sich den Daumen in der schweren Bronzetür ein. Und so sieht man noch heute rechts unten den dadurch entstandenen Riss. Auch unsere Söhne konnten im rechten Löwenkopf an der Tür den geklemmten Daumen des Teufels fühlen…
Und allen sorgenvollen Geistern, welche sich regelmäßig vor einem drohenden Weltuntergang fürchten, sei die felsenfeste Überzeugung von Karl dem Großen, welcher diesen prächtigen Dom in einer solchen Rekordzeit erbauen ließ, da er den bevorstehenden Weltuntergang unbedingt im neu gebauten Gotteshaus erwarten wollte, vor Augen geführt. Auch 1200 Jahre existieren der Dom und die ganze Welt noch sehr beständig – mehr oder weniger…
Da der Regen leider immer stärker wurde, flüchteten wir uns in ein wunderschönes Wollgeschäft. Tatsächlich mache ich mir ja bekanntlich aus Shoppingtouren aller Arten so rein gar nichts, aber der Besuch eines reizvollen Wollladens stellt diesbezüglich eine eklatante Ausnahme dar. Ganz besonders, wenn die liebe Begleitung ebenso strick- und wollbegeistert ist wie ich es bin.
Eigentlich passt kein einziges Gramm mehr in unsere Koffer und mir graut es bereits, wie ich alle Tüten voll mit den gefangenen Karnevalszügen heil nach München zurück transportieren kann – ich habe bereits einiges an meine liebe Großcousine in einem unbeobachteten Moment verschenkt, aber in der Regel bewachen die Zwillinge mit Argusaugen ihre Karnevalsschätze – ,aber da ich Katinka bereits einige Tage zuvor für eine von ihr selbstgestrickte Decke bewundert hatte, kam ich nun nicht umhin, witzigerweise sogar das Garn, das die Jungs mir als erstes ans Herz legten, zu erwerben.
Dieses war nicht nur reduziert, sondern sollte uns auch immer an den diesjährigen Aachenaufenthalt erinnern. Zudem benötigte ich ja quasi noch dringend passende Wörter für meine bekannten Alliterationen für jeden Blogartikel. Und da diese Alliterationen am heutigen Tag mit dem vorvorletzten Buchstaben des Alphabets beginnen sollten, befürchtete ich zu Beginn des Entwerfens des Artikels einen Mangel an passenden Wörtern mit diesem Buchstaben…
Schwer bepackt stiefelten wir anschließend mit dem Regen als Dauerbegleiter zum relativ neu errichteten Stadtkundemuseum von Aachen, dem centre Charlemagne. Hier kann man sehr eindrucksvoll in die Anfänge der Stadt vor über 2000 Jahren über die Entstehung der Pfalz von Karl dem Großen um 800 n. Chr. und den Königskrönungen bis hin in die aktuelle Geschichte, z.B. auch mit ihrer Verleihung des alljährlich bekannten Karlspreises, eintauchen.
Trotz Regen suchten wir noch einige wunderbare Brunnen wie den mit „Kreislauf des Geldes“ titulierten Brunnen
oder aber auch den Karls-
und den Puppenbrunnen auf.
Seit unserer Ankunft in Aachen schaue ich täglich mehrmals am Elisenbrunnen vorbei, liebe ich es doch, Schwefelwasser zu trinken. Ich weiß, liebe Julia, für dich wäre das nichts…
Heute Morgen waren aufgrund der Karnevalsveranstaltungen der letzten Tage noch beide Schwefelwasserbrunnen verbarrikadiert. Auf meine Nachfrage im Fremdenverkehrsamt, wann denn die Brunnen wieder geöffnet seien, konnte mir keine zufriedenstellende Antwort gegeben werden. Als ich dann sehnsüchtig am heutigen Abend wieder zum Elisenbrunnen ging in freudiger Erwartung und mit einer Trinkflasche zum Abfüllen ausgestattet, nahmen wir zwar mit Vergnügen wahr, dass die Brunnen ihrer Verkleidung entledigt waren. Dieses schlug jedoch schnell in Enttäuschung um, als kein Schwefelwasser floss, weder aus dem linken noch aus dem rechten Brunnen…
Liebe ich Schokolade und Lebkuchen in allen Variationen, ist für mich ein Aachenbesuch ohne Printen undenkbar. Allerdings musste ich mich nun erst einmal mit dem Anblick dieser sehr bekannten Skulptur des Printenmädchens zufriedengeben, da ich unmöglich auch noch Printenpackungen in den Koffer gestopft bekomme. Aber ich habe gleich heute eine relativ große postalische Lieferung dieser in Aachen ganzjährig verzehrter Lebkuchenspezialitäten in Auftrag gegeben.
Da das auswärtige Essengehen mit Zöliakie teilweise eine echte Herausforderung darstellt, war ich recht froh, als sich die Zwillinge dazu „bereit erklärt“ hatten, ein frühes Abendessen in Form von Fritten einzunehmen. Dieses Wiederholungsessen wurde kurz vor dem Einschlafen als das Schönste des Tages erwähnt und unser Jüngerer führte genau auf, welche verschiedenen Zubereitungsarten – geschält/ungeschält; in Sonnenblumenöl oder auch mit Rinderfett frittiert – er bereits während unserer Woche in Aachen kennengelernt hat. Ich hoffe dennoch sehr, dass die beiden auch zudem noch kulturell einiges mitgenommen haben.
Die Zwillinge essen während unseres Aachenaufenthalts noch einmal deutlich mehr als zu Hause. Als Beispiel hierfür sei nur die heute Abend verzehrte Kohlehydratmenge pro Zwilling genannt, welche sich mit 130 KH – sie verspeisten nach der großen Portion Fritten auch noch einige der Karnevalssüßigkeiten – eher nach der gesamten verzehrten Tagesmenge an Kohlehydraten anhört als die Berechnung für eine einzige Mahlzeit…
So fülle ich unermüdlich neue Reservoirs mit Insulin. Dank der vielen Bewegung und auch der doch auch gegessenen Ballaststoffe in Form von Rohkost und Obst, mit denen ich ihnen regelmäßig hinterherrenne, bewegen sich die Blutzuckerwerte glücklicherweise bei beiden im absolut akzeptablen Bereich.
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