Als ich das erste Mal vor Jahren eine Pralinenauswahl von Läderach von einer guten Freundin geschenkt bekam, würdigte ich zunächst gar nicht gebührend genug diese exquisite Schokolade, da mich beim ersten Blick die angegebenen E-Zusatzstoffe irritierten. Dies betraf jedoch offensichtlich nur die Verzierungen, besteht diese ausgesprochen hochwertige Schweizer Schokolade doch ausschließlich aus überaus wertigen Rohstoffen.
Davon konnten wir uns bei unserem ausgiebigen Besuch im House of Läderach auf ganzer Linie überzeugen. Meine Liebe zu toller Schokolade ist so groß, dass diese sogar jederzeit meinen relativ großen Autofahrtunwillen überwiegt. Von unserer Unterkunft in Radolfzell am Bodensee ist das House of Läderach nicht wirklich in der Nähe gelegen. So mussten wir knappe zwei Stunden im Auto zurücklegen, bis wir zu dem Schoggiparadies kamen.
Allerdings war dabei schon die Fahrt nach Bilten im schweizerischen Glarnerland ein Erlebnis für sich. So fuhren wir auf halbem Weg zu dem Stählibuckhaus, um zu dem Aussichtsturm aus Stahl zu gehen. Nach der Besteigung der 148 Treppenstufen hatten wir einen herrlichen Ausblick auf die gesamte Schweizer und Voralberger Berglandschaft. Diese erfüllte bestens alle Klischees, die man von einer winterlichen Schweiz im Kopf hat. Wir konnten uns kaum an dem malerischen Ausblick der schneebedeckten Gipfel und Wipfel ringsherum sattsehen. Und auch das House of Läderach ist höchst idyllisch am Fuße der Glarner Alpen gelegen.
Das Parkhaus brilliert als eines der wenigen seiner Art mit einer Einfahrtshöhe von 2,20 Meter, so dass ich mich dorthin auch mit unserem uralten VW-Bus mit aufgebautem Dachfenster wagte. Mit einem etwas mulmigen Gefühl fuhr ich die ersten Zentimeter in das Parkhaus, war mir doch unsere abgebrochene Antenne unmittelbar nach dem Einfahren in eine Kopenhagener Parkgarage noch mehr als präsent…Die Höhenangabe von Läderach entsprach jedoch dankenswerterweise der Wirklichkeit, so dass wir bequem parken konnten.
Bereits der Eingang vermittelt dem Besucher ein luxuriöses Gefühl und beim Anblick der imposanten Kakaobohne im Entrée läuft einem schon das Wasser im Munde zusammen, wenn man erfährt, dass diese unglaublicher Weise ganz aus Schokolade angefertigt ist. Der Enkelsohn des Firmengründers, Elias Läderach, kreierte dieses Kunstwerk aus 150 Kilogramm feinster Schokolade. Und der Probierlöffel, den man beim Willkommensdesk zusammen mit der Eintrittskarte an einem Schlüsselband überreicht bekam, ließ bereits auf zahlreiche süße Kostproben hoffen.
Dort erwartete uns um 14.00 Uhr eine wirklich einzigartige Führung durch die Schokoladenfabrik. Wir kamen in den großen Genuss von Kevin Cassing, dem stellvertretenden Leiter, geführt zu werden. Dieser ließ die Führung zu weit mehr als einer reinen Wissensvermittlung erblühen, vielmehr tauchten wir die folgenden 90 Minuten in eine wunderbare Unterhaltungsshow. Wir wurden höchst abwechslungsreich in alle Geheimnisse der Schokoladenherstellung eingeweiht und lernten alles Wichtige von der Kakaobohne bis hin zur flüssigen Schokolade. „Echt cool“, lobte der eine Sohn unseren Schoggiführer und der andere fügte hinzu: „Echt lustig.“
Und diesem Lob kann ich mich nur anschließen. Wir erfuhren auf höchst amüsante Weise, dass die Firma Läderach, welche ein Familienunternehmen in nunmehr dritter Generation ist, der größte Arbeitgeber im Kanton Glarus ist und dass Läderach ausgesprochen hochwertige Kakaofrüchte bezieht und dabei den Kakaobauern – anders als andere Schokoladenhersteller – bis zu 35 Prozent mehr bezahlt. In die Führung sind immer wieder kleine Filmchen eingebaut, in denen man z.B. direkt von dem Kakaobauern Edwin aus Costa Rica erfährt, welche Schritte vom Anbau bis zur Verarbeitung der Kakaofrüchte entscheidend sind.
Und auch die Etymologie der Schokolade bzw. des Kakaobaums wurde nicht vernachlässigt, als gleich zu Beginn der botanische Fachbegriff desselbigen mit „Theobroma Cacao“ angegeben wurde. Dies lässt sich als „Speise der Götter“ übersetzen und wahrscheinlich ist mir aufgrund der Namensähnlichkeit bereits mit der Auswahl meines Vornamens die Liebe zur hochwertigen Schokolade in die Wiege gelegt worden.
Die Führung wurde immer wieder von süßen Köstlichkeiten begleitet. So durften wir sowohl die Kakaonibs und die noch völlig ungesüßte Kakaomasse probieren als auch ganz besondere dunkle „Grand Cru“-Variationen. Dem Angebot unseres passionierten Schoggiführers konnten meine Mutter und die Zwillinge nicht widerstehen, als er fünf ganz unterschiedlich schmeckende Grand Cru-Schokoladentäfelchen vorstellte und dabei versprach: „Sie bekommen erst einmal zwei Täfelchen, aber jeder, der möchte, kann auch alle fünf Sorten verkosten.“
Die Stimmung während der Führung war nicht nur sehr harmonisch und heiter, auch für die Ohren waren die im Schwyzerdütsch eingefärbten Erläuterungen wahre Musik in den Ohren. Allein schon das schweizerische Wort für unser hochdeutsches „Schauen“, das „Luren“ ist ein solch klangvolles Verb. Und es gab tatsächlich ausgesprochen viel zu „luren“, sei es in den diversen kleinen Erklärfilmchen oder auch live, wenn man einen direkten Einblick in die verschiedenen Produktionsschritte oder auch einen kleinen Zaubertrick als Intermezzo vorgeführt bekam.
Zudem war ich sehr fasziniert, als unser Schoggiführer, als er erfuhr, dass ich auch Lehrerin für Latein bin, aus dem Stegreif die ersten Lehrbuchsätze seines Anfangslateinbuchs fehlerfrei rezitierte und dabei von den Vorzügen der lateinischen Sprache, unter anderem auch als phantastische Grundlage für das Erlernen von Französisch und Spanisch, schwärmte. Dies freute mich ganz besonders, als dass just an diesem Morgen beim Frühstück unsere Zwillinge, als wir im Gespräch auf das Sprachenangebot an weiterführenden Schulen kamen, zu meinem großen Entsetzen relativ verächtlich von der scheinbaren „Nutzlosigkeit“ des Lateinischen gesprochen hatten.
Dies war die erste Führung, bei der – ähnlich wie bei einer Weindegustation – sogar zwischendurch Wasser in einem Pappbecher gereicht wurde. Und wir wurden bei der anschließenden Verkostung am Schoggibrunnen glühend von vielen anderen Besuchern beneidet, da wir dem Rat gefolgt waren und nicht nur ein Becherchen zum Trinken, sondern noch ein weiteres mitgenommen hatten, um die Luxusschokolade in flüssiger Form in deutlich größeren Mengen nicht nur auf den Probierlöffel fließen lassen zu können, sondern gleich in den Pappbecher für einen längeren und intensiveren Genuss zu füllen.
Und auch auf die Idee, die verschiedenen Geschmacksrichtungen zu mischen, wäre ich wahrscheinlich ohne den fachkundigen Vorschlag nicht unbedingt gekommen…in der Nähe des Schoggibrunnens fühlten wir uns wie im Schlaraffenland. Ich war ganz besonders begeistert von einer Mischung aus dunkler Schokolade mit einer weißen Schokolade mit Karamellnote, unwiderstehlich köstlich. Nur extrem schwer konnten wir uns von dem nie versiegendem flüssigen Gold trennen. Dabei stellte für mich die Berechnung der jeweils benötigten Insulinmengen eine wirklich große Herausforderung dar und ich war ständig damit beschäftigt, wie viel Gramm Kohlehydrate gerade im Magen der Zwillinge gelandet waren. Zudem musste ich bei jeder Degustation immer höllisch aufpassen, dass unser Zölisohn nichts mit Gluten erwischt. Umso verärgerter war ich deshalb, nachdem ich wirklich Tag für Tag alles für die Jungs und ihre Gesundheit mache, dass sie sich in diesem Bodenseeaufenthalt so oft kontinuierlich, mal der eine, mal der andere, mal beide zusammen, unverschämt mir gegenüber verhalten…
Einziger Grund, dem Schoggibrunnen überhaupt irgendwann den Rücken kehren zu können, war, dass uns noch der Besuch im „Walk-in Atelier“ bevorstand. Dort darf jeder zwischen einer Herz- Stern- oder Quadratform wählen, welche nach den jeweiligen Wünschen mit einer flüssigen Schokoladenvariante befüllt wird, bevor man nach Herzenslust seine Schokoladentafel mit den feinsten Toppings verzieren darf – wobei die eine oder andere Dekoration nicht nur auf der Schokolade landete…Hierbei ist hervorzuheben, dass Läderach nur die allerbesten Inhaltsstoffe verwendet und z.B. die Haselnüsse aus dem Piemont, die Vanille aus Madagascar oder das Marzipan aus Lübeck bezieht. Und das schmeckt man auch wahrlich bei jedem einzelnen Bissen!
Bemerkenswert ist übrigens auch, dass Elias Läderach als erster Schweizer überhaupt im Jahr 2018 den ersten Platz bei den „World Chocolate Masters“ gewonnen hat. Dies ist ein Titel, den man lebenslänglich tragen darf und aus diesem Grund ist es dem jeweiligen Sieger dieses Wettbewerbs auch verwehrt, noch ein zweites Mal an dem Wettbewerb teilzunehmen.
Eines der Meisterwerke von Elias Läderach, bei denen man fast nicht glauben kann, dass dies alles aus echter Schokolade besteht, ist in dem letzten Ausstellungsraum zu bestaunen, in den man nur exklusiv im Rahmen einer Fabrikführung ein Zutrittsrecht hat und der stets relativ kühl temperiert sein muss, damit keine Schmelzgefahr besteht.
Hat man sich am Schoggibrunnen und allen anderen Probierstationen mehr als satt gegessen und ist man auch bereits stolzer Besitzer einer selbst dekorierten Luxusschokoladentafel, kann man nicht nur die größte FrischSchoggitheke von Läderach mit über 20 verschiedenen Sorten bestaunen, sondern darf sich ebenso bei der „Live Production“ auf einen der Hochstühle niederlassen und den Schoggikünstlern über die Schulter schauen, welche Schokoköstlichkeit sie jeweils am Besuchstag kreieren.
Für alle Fußschmerzgeplagten wie mich ist übrigens sehr positiv anzumerken, dass es während der Führung immer wieder Sitzmöglichkeiten gibt, bei denen man den Erklärungen ganz entspannt sitzend lauschen kann oder auch verschiedenste Schokoladenvarianten degustieren darf.
„Das war die beste Führung überhaupt!“, schwärmte unser Jüngster, „gerade auch vom Menschlichen.“ Und der Größere fügte hinzu: „Und dasllerbeste war, dass wir sogar so viel Kakaofruchtsaft trinken durften!“ Da konnten wir anderen vier ihm absolut bedingungslos zustimmen. Waren wir doch nun bereits in einigen kleineren und größeren Schokoladenproduktionsstätten, hatten wir bis dahin noch nie die Möglichkeit gehabt, weder das Fruchtfleisch einer echten Kakaofrucht anfassen zu dürfen noch deren Saft zu verkosten. Übrigens verströmt bereits das leicht glitschige Fruchtfleisch der Kakaofrucht einen sehr angenehmen Duft.
Spätestens nach der Factory Tour verbunden mit all den köstlichen Schokoladengenüssen in fester und flüssiger Form wird man jede Schokolade, die es im Supermarkt zu erwerben gibt, sofort links liegen lassen. So ein Glück, dass man bei dem nächsten unstillbaren Schokoladenverlangen nicht gleich wieder in die Schweiz fahren muss, sondern seine Lust auch in einem der Läderachläden in München stillen kann.
Und ab jetzt werden wir mit Sicherheit beim Betreten eines jeden Läderachladens mit großem Vergnügen an unseren herrlichen Besuch in dem House of Läderach zurückdenken und uns dabei ins Gedächtnis rufen, dass alle Schokoladen, welche weltweit in einem der auf etwa 20 Länder verteilten 200 Filialen zu erwerben sind, aus dieser sagenhaften Produktionsstätte am Fuße der Glarner Alpen stammen.
Nachdem wir zur späten Stunde nach einer zweistündigen Autofahrt im Dunklen nach Radolfzell zurückkamen, endete der Abend leider so, wie bereits der Morgen begonnen hatte: war ich am Morgen nicht etwa von dem ohnehin viel zu früh eingestellten Wecker, sondern von einem nervtötenden Dauergekeife wie “Aua, lass mich los, ich bekomm keine Luft mehr.” “Jetzt hör doch endlich auf!”, etc. noch im Dunklen aus dem Schlaf gerissen worden, brachte gerade der eine der beiden Jungs mich bereits auf der Rückfahrt zur absoluten Verzweiflung, was er nach dem sehr späten Abend munter fortsetzte.
Am liebsten hätte ich die Jungs tatsächlich auf der Stelle in den Zug nach Hause gesetzt, nachdem bereits der Tag davor ausgesprochen anstrengend mit den beiden war (dafür, dass ich eine schlaflose Nacht aufgrund permanenter Pumpenalarme und der Notwendigkeit eines Setzen eines neuen Blutzuckersensors nachts um 3 Uhr hatte, können sie nichts, aber sie hätten deutlich weniger Quertreiberei am Tage zeigen können…) und ich, als ich für meine nächtlichen Unterrichtsvorbereitungen beim Anschalten des Laptops konstatierte, dass einer der beiden die Computermaus zerstört hatte und es natürlich, wie immer keiner gewesen sein wollte.
Bei all dem großen Ärger und der Wut aufgrund der so großen Undankbarkeit der Zwillinge, für die ich wirklich Tag und Nacht seit zehn Jahren das Allerbeste trotz häufiger totaler Erschöpfung gebe, half einzig, dass wohl aufgrund des so wohligen Schokogenusses mehr Schoggi in allen erdenklichen Variationen als Blut durch meinen Körper floss. Und wann immer der Stresspegel wieder deutlich ansteigen sollte, habe ich bestens mit einer großen Auswahl an Läderachschokolade zur Nervenberuhigung vorgesorgt.
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