Triest, Tropfsteinhöhle, Traumschloss, Tour delle Piazze, Tischtennis, Tragödie

Triest ist eine sagenhafte Mischung aus dem maritimen Leben und dem quirligen Treiben einer italienischen Großstadt, die man am besten auf einer Tour delle Piazze erlebt. Dabei ziehen sich die acht wichtigsten Plätze wie Perlen auf einer Schnur durch die Stadt.

Auch, um zum berühmten Castello Miramare zu gelangen, eignet sich eine Fahrt mit dem „Delfino verde“ optimal, so dass wir bereits in der Früh zu dem Schloss in der Bucht von Grignano aufbrachen, das der Habsburger Erzherzog Maximilian und seine Frau, Prinzessin Charlotte von Belgien zwischen 1856 und 1860 errichten haben lassen.

Es ist von innen und außen ein absolutes Traumschloss mit einer 22 Hektar großen Parkanlage, allein die Spitze der Hafeneinfahrt mit der Kopie einer Sphinx, welche das wertvollste Stück einer Sammlung ägyptischer Antiquitäten war, ist spektakulär.

Da die Jungs nach einiger Zeit weniger mit dem Besichtigen als mit brüderlichen Zwistigkeiten beschäftigt waren, beschloss ich, ihnen noch etwas Zeit im Strandbad von Grignano zu gönnen. War unsere Badezeit sowieso schon mit knappen zwei Stunden begrenzt – wir blieben unserer Schiffstradition und damit der engeren Zeitgebundenheit auch beim Triester Nahverkehr in Form des Bootes treu, der die Anlegestelle von Grignano nur alle drei Stunden bedient – , war ausgerechnet in diesen beiden Stunden so viel Unplanmäßiges geboten, das ich kaum zum Schwimmen kam.

Es begann und endete mit jeweils einer blutigen Verletzung beim Älteren. Zunächst stieß er sich den Fuß bei der Badeinsel so fest an, dass dieser an einer Stelle beim mittleren Zeh heftig blutete. So bat ich gleich die Bademeisterin um eine fachmännische Wundversorgung. Die zweite Verletzung zog sich ebenfalls unser armer Pechvogel, der Ältere, zu, als er beim Tischtennisspielen mit dem Schläger in seiner Hand mit voller Wucht mit dem Ellenbogen an die Tischtennisplatte stieß.

Der Jüngere hatte gar kein Interesse am Meer, der Ältere war immerhin kurz im Kinderpool, der interessanterweise mit Salzwasser gefüllt war, bevor die beiden die Tischtennisplatte ganz hinten im Eck des Strandbades entdeckt hatten. Zu dem Leidwesen des Jüngeren musste ich allerdings relativ bald das Spiel mit zwei neuen italienischen Freunden unterbrechen, ließ die Katheterstelle doch leider plötzlich wieder kein Insulin durch.

Wann immer ich mich kurz dem Schwimmen hingeben wollte, wurde ich wegen diverser Ereignisse von einem der beiden Jungs gerufen. Die relativ tiefe blutige Verletzung am Ellbogen versorgte die Bademeisterin in einem solchen Schneckentempo, dass wir zum Delfino verde in einem Affenzahn rennen mussten.

Auch wenn ich wegen all der zahlreichen Zwischenfälle nicht so wirklich dem Schwimmen im Meer frönen konnte, muss ich immer an den Spruch unseres Älteren denken, der einige Tage zuvor felsenfest überzeugt meinte: „Also, ich möchte später auf alle Fälle Kinder, sonst ist es ja viel zu langweilig…“

Gerade, als ich mich von dem nicht ganz unanstrengendem Tag und meinen extrem schmerzenden Füßen am Abend im Hotelzimmer angekommen, ein wenig ausruhen wollte, trat dies ein, das ich Tag für Tag am meisten fürchte. Unser Jüngerer verhielt sich plötzlich total komisch und die nächste Stunde war ein absolutes grauenvolles Déjà-vu des Epiphanietages dieses Jahr, an dem ich mit ihm ja in der Nacht mit Blaulicht ins Krankenhaus fahren musste. Der Unterschied neun Monate später war einzig, dass ich mich nun mutterseelenallein in einem Land, dessen Sprache ich zwar sehr gut beherrsche, dessen Krankenhäuser jedoch keinen sehr guten Ruf haben, befand. Nur wenige Stunden zuvor hatte uns unser Jüngerer noch beängstigenderweise belehrt, dass die Notrufnummer in Italien die „118“ sei.

Zu allem Überfluss verknoteten sich noch ständig die überlangen Wollfäden, welche ich unserem Älteren auf seinen dringenden Wunsch hin zum Flechten gegeben hatte, so dass ich mich in riesengroßer Sorge um unseren Jüngeren bestmöglich kümmerte und gleichzeitig unseren Älteren bei Laune hielt, indem ich verzweifelt mit zittrigen Händen versuchte, die ständigen Verknotungen zu lösen. Dabei waren die Wollverwirrungen wesentlich schneller zu lösen als die Verwirrtheits- und Gesundheitszustände des jüngeren Sohnes.

Die ganze Situation war so dramatisch, aber auch so persönlich, dass ich hierzu gar nicht mehr schreiben möchte. Ich war auf alle Fälle völlig aufgelöst und konnte in der Nacht an Schlafen noch nicht einmal denken. Die einzige Rettung, den nächsten Tag irgendwie ohne Schlaf zu überstehen, bestand in dem Genuss von sage und schreibe 5 (!) Cappuccini zum extrem frühen Frühstück. Dabei muss man wissen, dass Triest als „capoluogo del caffè“ bezeichnet wird. Und tatsächlich habe ich bei jedem einzelnen Schluck die grandiose Mischung der Traditionen der Habsburger Monarchie mit jenen der multikulturellen Hafenstadt herausgeschmeckt.

Trotz dieser wahren Geschmacksexplosion quälte ich mich durch den Tag, nicht nur physisch, sondern auch mental völlig ermattet. Egal, wie weit man reist und welch „legendären“ – wie es die Zwillinge vor wenigen Tagen formulierten – Unternehmungen man macht, leider kann man nie vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder anderen Unglücksfällen fliehen. Ich kann nur inständig hoffen, dass die intensiv ausgesprochenen Gebete gerade vor den Reliquien des heiligen Nikolaus in Bari sowie beim Wünschebaum vor der Statue der Mutter Gottes in Ephesus nicht vollkommen ungehört in den nächsten Wochen/Monaten und Jahren bleiben werden…

Und bereits an unserem allerletzten Tag in Triest bat ich um Beistand von oben. Hatte unser Älterer zwar im Gegensatz zu mir in der Nacht recht gut geschlafen, klagte aber nun über so heftige Fußschmerzen, dass er nur noch humpelnd auf der Ferse zum Frühstücksbüffet lief, so dass ich ihn mit allem bediente. Wie sollte er in diesem Zustand das Runter- und Raufsteigen der 500 Stufen in der grotta gigante sowie die längeren Fußmärsche zwischen den einzelnen Busstationen je schaffen?

Dazu gesellte sich meine Dauerpanik, dass sich abermals ein schlimmer gesundheitlicher Zwischenfall beim Jüngeren ereignen könnte. Nachdem ich durch einen Schuhwechsel und vorige Fußmassage unseren Älteren wieder halbwegs gehfit gemacht hatte und der Jüngere mir mehrmals versichert hatte, dass er absolut ausflugsfit sei, begaben wir uns auf die Suche nach dem richtigen Bus.

Während es mit dem Auto zur Grotta gigante nur etwa 25 Minuten sind, benötigt man mit dem öffentlichen Nahverkehr  und einmaligem Umsteigen eine knappe Stunde. Da hatte ich keine Zeit und Kosten gescheut, als wir endlich vor dem weltweitgrößten für Touristen zugänglichen natürlichen Höhlenraum standen, der seit 1995 sogar im Guinness Buch der Weltrekorde verzeichnet ist, als unser Älterer auf meine Frage, ob er sich denn nun schon auf die Besichtigung dieser spektakulären Attraktion freuen würde, lakonisch antwortete: „Weder freue ich mich noch stört es mich.“

Na, da hätte ich doch trotz allem ein wenig mehr Begeisterung erwartet, aber die Ereignisse des vorigen Tages hatten an den Nerven von uns allen gezehrt. Immerhin schafften die Kinder deutlich schmerzfreier die Bewältigung der insgesamt 1000 Stufen als ich und wir erfuhren in der etwa einstündigen Führung, welche immer im Wechsel auf Italienisch und Englisch gehalten wurde, unter anderem, dass allein durch die Urgewalt des Wassers im Herzen des Karsts von Triest diese spektakuläre Tropfsteinhöhle geschaffen worden ist.

Dabei sind die ungeheuren Zeitdimensionen nicht so wirklich fassbar, wenn man bedenkt, dass dies bereits vor drei Millionen Jahren entstanden ist und dass ein Stalagmit im Durchschnitt etwa 20 Jahre benötigt, um einen Millimeter (!) zu wachsen. Dabei wurde uns erklärt, dass man diese „Babystalagmiten“ stets an der weißen Oberfläche bestens erkennt.

Insgesamt stiegen wir hundert Meter in die Tiefe hinab und bestaunten die faszinierende Welt aus Tropfsteinen, welche die unterschiedlichsten Formen aufwiesen. So zeigte uns die Führerin ihren Lieblingsstalagnit, welcher sie stets an einen Pancaketurm erinnert.

Nach einer Dreiviertelstunde des Wartens in größter Hitze auf den Bus fuhren wir zu einer weiteren Singularität, der europaweit einzigen Badestelle, welche noch heute durch eine Mauer badende Frauen und badende Männer voneinander trennt, dem sogenannten „Stabilimento alla Lanterna“, das sich unweit des Triester Stadtzentrums in unmittelbarer Nähe zum Yachthafen, befindet.

Die bei den Triestern äußerst beliebte Badeanstalt wurde sogar in einem Dokumentarfilm in Cannes gefeiert und liefert z.B. folgende witzige Szenerie: es gibt jeweils einen Einlass für Männer und Frauen und wenn man dermaßen durch eine Mauer getrennt die Badeanstalt betreten hat, setzt sich die Separierung auch im Meer in Form verschieden gespannter Kordeln weiter.

So kann man viele Pärchen beobachten, welche über die Absperrung hinweg Wasserball oder Frisbee spielen, er im Herren-, sie im Frauenbereich im flachen Meerwasser stehend. Offenbar feiert die Triester Damenwelt diese europaweit einmalige Geschlechtertrennung und entblößt mit Vorliebe am Damenstrand ihre Oberweite. Ich habe noch nie auf einer so kleinen Fläche so viele barbusige Damen aller erdenklich Altersstufen gesehen wie in diesem einzigartigen Triester Strandbad.

Da unser Zug bereits sehr früh am nächsten Tag von Triest in Richtung Verona losfuhr, stiegen wir ausnahmsweise von den öffentlichen Verkehrsmitteln auf ein Taxi um. Dies ging jedoch auch nicht unbedingt schneller, da der erste Taxifahrer unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen musste und uns mitteilte, dass er mit so viel Gepäck nicht gerechnet hätte, so dass er ein größeres Taxi anfordern müsse…

Als ich bei unserer Ankuft am Triester Bahnhof als erstes bereits etwas von “scippero” las, erschrak ich sehr. Als ich genauer hinsah, erfuhren wir, dass glücklicherweise erst am Wochenende gestreikt wird. Und mit den Zügen der Frecciarossa zu fahren, ist eine wahre Freude. Der Zug kam nicht nur ganz pünktlich in Verona an, sondern die Schaffner waren ausgesprochen freundlich und es gab sogar noch für jeden ein Wasser und salzige und süße (leider nicht glutenfreie) Kekse geschenkt. Und das alles für einen Fahrpreis für mich und die beiden Zwillinge für unschlagbare 26 Euro.

Das entspannte Zugfahren änderte sich ein wenig ab Verona, als wir in einen völlig üverfüllten EC, aus Rimini kommend, umsteigen mussten, bei dem ich es erst nach einer geschlagenen Stunde geschafft hatte, all unser Gepäck in verschiedenen Wägen zu verstauen. Dazu kam die Müdigkeit der Zwillinge aufgrund des extrem frühen Aufstehens, welche sich in ständigen Streitereien entlud.

Rätselsblöcke, welche eigentlich der Beschäftigung der Jungs dienen sollten, gerieten zu meiner Beschäftigung, da ich den Jungs ständig bei Palindromen oder auch den richtigen Labyrinthwegen helfen sollten, so dass ich vor lauter Schlafmangel wirklich fertig war. Ganz ungewohnt, aber ausgesprochen dankbar kamen wir nun, völlg ungewohnt für die Bahn, es war allerdings auch die österreichische und nicht die deutsche, auf die Minute pünktlich in München wieder an und vermissen Triest schon jetzt…

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