„Und du bittest sofort deine Lehrerin mich in der Schule anzurufen, wenn dein Blutzuckerwert über 250 hochschießt!“ schärfte ich unserem Älteren im allergrößten Morgenstress ein, als ich mit Schrecken entdeckt hatte, dass das Infusionsset seiner Insulinpumpe sprichwörtlich am seidenen Faden hing und es nicht ganz zu eruieren war, ob die Teflonnadel noch eine ordnungsgemäße Insulinzufuhr ermöglichte.
Diese stetigen Sonderereignisse sind in ihrer Einzelheit ja immer nur Kleinigkeiten, aber das Gesamtgepäck der nie endenden Belastungen und Verantwortung, da ich ja toujours bei beiden Söhnen alles im Blick haben muss (Ist das Reservoir noch mit genügend Insulin gefüllt? Sitzt der Blutzuckersensor noch fest oder muss ich diesen neu verkleben? Sind die aktuellen Blutzuckerwerte im Normbereich?…) lassen meinen Herzschlag bereits am frühen Morgen in bedenkliche Höhen schießen.
Mittlerweile zeigte die Herduhr schon unerbittlich 7.53 Uhr an. Normalerweise verlasse ich immer mit den Zwillingen und dem Hund um Punkt 7.50 Uhr das Haus. Mir war den ganzen Morgen wahrscheinlich stress- und müdigkeitsbedingt blümerant und ich spürte immer wieder beängstigende Stiche in der Herzgegend. Zudem stritten sich die Jungs wegen kleinlichster Banalitäten unermüdlich und nun kam auch noch die Sorge einer bevorstehenden Ketoazidose hinzu.
Ich verklebte den Katheter so fest es ging, als plötzlich das Telefon klingelte. „Wer mag das wohl um diese Zeit sein?“ schoss es mir durch den Kopf. „Wir sind eh schon viel zu spät dran. Dann gehe ich jetzt einfach nicht dran.“ Mein Pflichtbewusstsein ließ mich schließlich doch den Telefonhörer abnehmen, während die Jungs mit Sack und Pack zusammen mit dem angeleinten Hund vor der Haustür warteten.
„Radio TOP FM, hast du in einer Stunde kurz Zeit für die Aufzeichnung von unserem Gewinnspiel „Stadt, Land, Fluss, plus“?“ ertönte es fröhlich am anderen Ende der Leitung. Und so durfte ich tatsächlich sehr übermüdet und dauerangespannt in der Furcht, dass gleich der Anruf aus der Grundschule wegen eines nicht mehr funktionierenden Infusionsset kommt, noch kurz, bevor ich selbst in die Schule eilen musste, bei dem sehr unterhaltsamen „Stadt, Land, Fluss“-spiel mitmachen.
Die am Vortag erreichte Antwortenzahl von stolzen 11 konnte ich leider nicht auch nur annähernd erreichen. Ich hatte den Buchstaben „G“ zugeteilt bekommen und während ich auf die ersten vorgegebenen Begriffe wie „Land (Griechenland), Beruf (Gymnasiallehrerin) Essen (griechische Oliven) relativ rasch antworten konnte, verlor ich viel Zeit bei der (erfolglosen Suche) nach einer App mit „G“ (im Nachhinein fiel mir natürlich sofort „Google“ ein), teilweise antwortete ich mit „auf der Straße…“ „Gänse“ wohl auch etwas unorthodox und die 30 Sekunden waren leider vorbei, als ich immer noch kein „Kleidungsstück“ mit „G“ gefunden hatte.
Dafür bedankten sich die beiden sehr sympathischen Radiomoderatoren Pia und Alex für die „tollen Einblicke in meine Gefühlswelt“, was ja immerhin auch mit dem Buchstaben „G“ beginnt und dass ich ihnen den Morgen versüßt hätte. Auch wenn ich den wunderbaren Gewinn gar nicht einlösen hätte können, da ich an dem betreffenden Sonntag bei dem Mandolinenkonzert unseres Jüngsten sein werde, hätte ich natürlich liebend gerne den Gewinn, einen Besuch für die ganze Familie bei dem Kaltenberger Ritterturnier, an eine befreundete Familie verschenkt.
Am Schluss sei noch folgende amüsante Koinzidenz zu vermelden: als ich in unseren Gruppenchat der Mädelsschafkopfgruppe, durch die ich ja erst auf das Gewinnspiel aufmerksam geworden bin, von meiner Teilnahme am selbigen berichtete, schrieb postwendend Ruth, dass sie just in derselben Woche zwei Tage zuvor daran teilgenommen und sich mit acht Antworten wacker bei diesem Spiel geschlagen hatte.
Auf alle Fälle war dies eine wunderbare kurzzeitige Unterbrechung des Schuljahresendstresses, den ich selten so intensiv und belastend, wie in diesem Schuljahr erlebt habe, wo weder die Organisation des Austausches mit der französischsprachigen Schweiz noch die Erstellung im Rahmen des P-seminars eines Radrundweges rund um die fünf Trinkwasserbrunnen im Fürstenfeldbrucker Landkreis je ein positives Ende zu nehmen scheint…
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