Ausbüchsen, Auffinden, Abendkoma

Ich hatte noch nicht ganz die Haustür aufgesperrt, als mir unser älterer Sohn, der einmal in der Woche immer schon nach der vierten Stunde Schulschluss hat, bereits aufgeregt entgegenkam, und erzählte: „Mama, als ich heute nach Hause gekommen bin, habe ich überall den Hund gesucht, im Keller, im Dachgeschoß und natürlich auch draußen im Garten, aber Nora war nirgends. Und dann ist sie mir plötzlich entgegengelaufen. Sie kam durch den Nachbarszaun vom kleinen Wertstoffhof.“

Ich wiegte mich wochenlang in der Sicherheit, dass diese Ausbruchsgeschichten der Vergangenheit angehörten – wir erhielten auch schon einmal bereits kurz nach 7.00 Uhr morgens den Anruf, dass wir doch bitte sofort unseren Hund vom Garten einer befreundeten Familie, welche ein paar Straßen von uns entfernt wohnt, holen sollten, da er doch so direkt vor dem Meerschweinchenkäfig hechelnd den Tieren (verständlicherweise) Angst machen würde – , war der Zaun doch eigentlich an allen Stellen nachgerüstet worden.

Nun schien er leider nicht mehr den Ausflugsgelüsten von Nora standzuhalten. So listete ich als einen der dringendst zu erledigenden Punkte auf der immer länger werdenden To do-liste die Reparatur des Zaunes auf und begab mich schnell in die Küche zum Kochen. Währenddessen versuchte sich schon einmal unser Sohn an einer Nachjustierung des Ausbruchsschutzes.

Gerade, als ich den Zwillingen bereits das Mittagessen abgewogen und das dafür benötigte Insulin berechnet hatte, klingelte es an der Haustür. „Wenn das schon wieder Bekannte sind, welche immer zur ungelegensten Zeit kommen, um sich Werkzeuge aller Art zu entleihen, deren Namen ich noch nicht einmal gehört habe, geschweige denn, von denen ich weiß, wie sie jeweils aussehen…“ärgerte ich mich, da ich wenigstens zur Mittagszeit sehr gerne in Ruhe mit den Kindern gegessen hätte. Oder vielleicht ist es ja auch nur der Paketbote?

Weder noch…Als ich die Tür öffnete, fiel mein erster Blick auf einen uns ausgesprochen vertraut aussehenden schwarzen Hund, der an einem kurzen roten Strick geführt wurde von einem sehr lieben bekannten Vater, dessen Sohn in die Klasse einer unserer Zwillinge geht. In all dem Mittagsessenskochstress muss Nora abermals in einem unbeobachteten Moment durch das Loch im Zaun geschlupft oder oben drüber gesprungen und in Windeseile wieder in Richtung des Wertstoffhofes, wo wir in der Dämmerung auch schon öfters Rehe erblickt haben, gelaufen sein.

Peinlicherweise hatten wir das erneute Fehlen des Hundes noch gar nicht bemerkt, da ich zwischen dem Kochen und erneuten unerwarteten Scherereien wegen der nicht enden wollenden Dauer- und Umorganisationen wegen des Individualaustausches mit der französischsprachigen Schweiz, den ich nicht nur für unser Gymnasium, sondern auch zwei weiteren Gymnasien im Umland plane, rotierte. Umso mehr waren wir dem aufmerksamen Sohn und dem umsichtigen Vater ausgesprochen dankbar für das so liebe zügige Einfangen und Zurückbringen des Hundes.

Selten erlebte ich unsere Nora bereits am frühen Abend dermaßen tief schlafend – fast wie in einem komatösen Zustand – im Wechsel mit einem häufigen, offenbar höchst intensiven Träumen, zuckte sie doch in einer Tour mit all ihren vier Gliedmaßen rhythmisch auf dem Wohnzimmerboden hin und her und fiepte dabei in regelmäßigen Abständen. Ob sie wohl schon von den nächsten Ausbüchsversuchen träumte? (die wir hoffentlich zu verhindern wissen…).

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