Musicalbesuch, Millerntorstadion, Migräne, Meiningerhandymastenfurcht

„Mama, ich habe so starke Halsschmerzen, ich geh heute nicht in die Schule.“ Nun hatte es leider nicht nur immer wieder einige Schülerinnen und Schüler in meinen Klassen getroffen, sondern ebenso unseren jüngsten Sohn. Der Zeitpunkt seiner Erkrankung war alles andere als günstig, sollten wir doch nur 24 Stunden später bereits im Zug nach Hamburg sitzen.

Während ich mich am späten Abend schon einmal mit den Bedingungen unserer Reiserücktrittskostenversicherung auseinander gesetzt und in regelmäßigen Abständen vom trockenen Versicherungsdeutsch in die wesentlich angenehmere Sprache von zwei Reiseführern und einem ganz neu erschienenen Frauengesundheitsbuch, welche just an diesem Tag vor der Abreise zu Rezensionszwecken in unserem Briefkasten lagen, gewechselt hatte, glühte unser armer schlafender Sohn regelrecht und ich begann fieberhaft unsere Reise umzuplanen.

Wundersamerweise kam ich nach einer sehr kurzen Nacht zu zwei topfitten Söhnen. Dennoch sank die Stimmung noch vor dem Frühstück so tief in den Keller wie es einige Stunden später für uns in den hohen Norden gehen sollte. Wo war nur die Schokolade, welche ich am Tag zuvor noch extra aus dem Keller geholt und in ein Schüsselchen ins Wohnzimmer gelegt hatte?

Sie war und blieb spurlos verschwunden. im Gegensatz zu der ähnlichen Frühstückssituation wenige Tage zuvor, bei der sich zu meinem großen Ärger ebenfalls niemand für das Verschwinden der Schokolade verantwortlich erklärt hatte, die leeren Lindorschokokugelnpapierchen allerdings noch im Schüsselchen zu sehen waren, hatte der „Dieb“ dieses Mal seine Spuren besser verwischt.

Dies war allerdings das einzig Lobenswerte. Insgesamt macht es mich extrem wütend und traurig, dass sich zum einen keiner der Zwillinge zu der Tat bekannte, zum anderen – wesentlich schlimmer – ,dass die Schokolade höchstwahrscheinlich sogar „Spuren von Gluten“ (war sie ja nicht für unseren Zöli bestimmt gewesen) enthielt. Meinen Miss Marple- Künsten zu folgern schien just unser Zöli der Tatverdächtige zu sein.

Bei stoffwechselgesunden Kindern wäre das heimliche Naschen überhaupt kein Problem, so jedoch war ich sehr sauer und enttäuscht, da es für mich wirklich Tag für Tag einen großen Kraftakt darstellt, in all dem Alltagsfamilientrubel auch noch stets ohne einen einzigen Fehler zu machen für eine absolute Kontaminationsfreiheit zu sorgen, welche unser Jüngster mit solchen Aktionen vollkommen konterkariert.

Nach dem üblichen Erleiden der Migräneattacken meinerseits am Anreisetag und dem großen Unwohlsein, als ich feststellte, dass sich auf unserem Meiningerhotel in Hamburg-Altona eine Vielzahl von Mobilfunkantennen befinden sowie nach einer diabetesbedingt ausgesprochen schlafarmen Nacht, war der Pfingstsonntag von einem absoluten Highlight geprägt: dem Besuch des Musicals „König der Löwen“.

An diesem Pfingstsonntag wie auch an allen anderen Sonntagen gibt es sehr familienfreundliche Vorstellungszeiten, so dass wir bereits das Musical um 14.00 Uhr besuchen konnten. Nach einem vorigen Abstecher in das Millerntorstadion, der Spielstätte des FC St.Pauli, gestaltete sich bereits die Anfahrt zu dem Musicaltheaterhaus als etwas ganz Besonderes. Besteigt man hierfür doch einen kostenlosen Shuttle in Form einer Fähre, welche einen in wenigen Minuten an das andere Ufer bringt.

Auch wenn dieses Musical bereits seit 20 Jahren täglich ein- bis zweimal aufgeführt wird, ist beinahe jede Vorstellung restlos ausverkauft. Sehr positiv empfanden wir gleich zu Beginn, dass man die Garderobe nicht verpflichtend abgeben musste, sondern alle Kleidung und Rucksäcke, solange sie auf den Schoß genommen wurden, in das Theater mitnehmen konnte.

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass man sich überall Sitzkissen kostenfrei ausleihen kann, so dass unser Älterer, der sich schon oft in anderen Theatern über die mangelnde Sicht beklagt hatte, sofort schwärmte: „Ich habe eine perfekte Sicht.“ Kurz vor dem Einlass fragte mich plötzlich unser Älterer: „Mama, gibt es da jetzt auch echte Löwen?“ Auf meinen etwas konsternierten Blick hin präzisierte er: „Schau, weil da gibt es „Löwenfutter.“ Das war natürlich ausgesprochen aufmerksam, entpuppte sich jedoch als Popcorn für die menschlichen Zuschauer.

Auch ohne echte Tiere ist diese Musicalinszenierung etwas ganz Besonderes. Den Musicaldarstellerinnen und -darstellern gelingt es durch ihre beeindruckend grazilen Bewegungen, dass Tier und Mensch verschmelzen, wenn imposante Hyänen oder auch Zebras auf der Bühne erscheinen, denen die Schauspielerinnen und Schauspieler quasi ihren Körper leihen. Die Inszenierung des „König der Löwen“ ist bis ins kleinste Detail absolut perfekt ausgearbeitet und bietet immer wieder viel Überraschendes.

So wird z.B. aus dem Savannengras, durch das der junge Simba mit seinem Vater, dem König der Löwen,  zieht, plötzlich die Kopfbedeckung von zahlreichen Musicaldarstellern. Jede Rolle ist hochkarätig besetzt und unser Älterer stellte zu Beginn hocherfreut fest: „Das Musical beginnt ja ganz pünktlich, also nicht so wie die deutsche Bahn.“

Ich musste sehr schmunzeln, als ein offenbar sehr fußballbegeisterter und weniger kulturbewanderterer Vater seinen zwei Töchtern erklärte: „Zur Halbzeit gehen wir dann auf’s Klo.“ Wir nutzten die Theaterpause, um direkt vor dem Musicalhaus den einzigartigen Blick auf die Elbe mit Hamburgs neuem und altem Wahrzeichen, der Elbphilharmonie und dem Michel, genießen zu können, bevor wir in den zweiten Musicalteil eintauchen konnten.

Während das Orchester mit seinem Dirigenten im Orchestergraben nur zu erahnen war, war gerade unser Schlagzeug spielender Sohn begeistert von den beiden Percussionmusikern, welche gut sichtbar links und rechts von der Bühne, beeindruckend ihre Schlagzeugkünste in die Musicalmusik mit einbrachten. Sehr erleichtert war ich zudem, als wir gleich beim ersten Song merkten, dass das Musical in deutscher Sprache aufgeführt wird.

Anders als meine liebe Mutter, welche mich vor jedem Opernbesuch intensiv mit dem jeweiligen Inhalt vertraut gemacht hatte, war ich am Vormittag dermaßen gestresst mit der Suche nach dem plötzlich verloren gegangenen Real Madrid-Käppi unseres Sohnes gewesen, dass ich nicht mehr dazugekommen war, den Jungs den Musicalinhalt näher zu bringen.

Dank der deutschen Sprache und einer wunderbar leicht zu verstehenden Inszenierung war dies jedoch überhaupt kein Problem. Das Musical ist ein genialer Mix aus afrikanischen Gesängen und eingängigen deutschsprachigen Melodien. Man kann sich gar nicht genug an den so fantasievollen und farbenprächtigen Kostümen sattsehen. Faszinierend fanden wir auch, dass die Schauspieler immer wieder durch die Zuschauerränge hautnah gelaufen sind und es zahlreiche komödiantische Einlagen gab.

Vollkommen zu Recht erlebten unsere Söhne gleich bei ihrem ersten Musicalbesuch am Ende der Vorstellung Standing Ovations. Besonders hervorzuheben ist auch die musikalische und künstlerische Darbietung der beiden Kindermusicaldarsteller. Und auch wenn wir – nicht nur auf unseren diversen Reisen – täglich mit neuen Problemen und Herausforderungen zu kämpfen haben, tragen wir ab jetzt in Erinnerung an dieses wunderbare „König der Löwen-Musical“ möglichst oft den dort vorgestellten Leitsatz „Hakuna Matata“ im Herzen, der soviel bedeutet wie „Sorge dich nicht.“ Herzlichen Dank, liebe Frau Kumlehn, für die so tolle Organisation und Korrespondenz im Vorfeld für diesen wirklich einzigartigen Musicalbesuch, dem sicher noch viele weitere folgen werden.

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