Zirkusbesuch, Zusatztouren, Zehverletzung, Zauberkünstler

Ich nutze jedes Wochenende auch immer für die Unterrichtsvorbereitung sowie das Erstellen und Korrigieren von Leistungsnachweisen aller Art. Dieses Wochenende muss eine Latein-Schulaufgabe fertig erstellt werden. Daneben sollen die Kinder auch nicht zu kurz kommen.

Die Zirkusvorstellung begann am Samstag um 15.00 Uhr, mein ganz persönlicher Zirkus jedoch bereits am frühen Vormittag. Das erste Kommunionsvorbereitungstreffen unserer Söhne war für diesen Samstagvormittag angesetzt. Auf dem einzigen Schreiben, das ich hierzu erhalten hatte, stehen ausschließlich die bevorstehenden Termine, aber nichts weiteres, z.B, was man mitzubringen hat oder ähnliches.

„Wo sind eure Stifte, Scherer und Kleber?“ Eine Klassenkameradin unseres Älteren packte eifrig all ihre Schulutensilien aus ihrem Rucksack. „Bist du die Mutter der Zwillinge? Du bist als einzige noch nicht in unserer WhatsApp-gruppe eingefügt, hast du nicht die Mails der Pastoralreferentin bekommen?“ Die Kommunionsgruppenleiterin unserer Jungs zog bunte Tonpapierfische aus ihrer Tasche, mit denen sich die Kinder einander vorstellen sollten. Offenbar war ich noch nicht im allgemeinen Erstkommunionselternmailverteiler gelandet, obwohl meine Mailadresse der Pastoralreferentin bestens bekannt sein müsste, verschicke ich doch einmal im Monat in meiner Funktion als Schriftführerin des Pfarrgemeinderats noch immer in derselben Nacht brav die Protokolle der neuesten Sitzungen auch an ihre Adresse…

So zog ich unsere Nora neben meinem Rad her, die ausschließlich zwei Gangarten kennt. Entweder zieht sie an der Leine extrem nach vorne, wann immer sie den Geruch eines anderen Hundes, eines Rehs oder auch einer Leberkassemmel in die Nase bekommt oder aber sie trottet völlig unmotiviert so langsam wie eine ausgesprochen betagte Dame hinter mir her.

Als ich alle Schreib- und Bastelutensilien im Gruppenraum abgeliefert hatte, fiel mein Blick auf eine große Bäckerkiste mit unzähligen frischen Brezen. Auf meine Nachfrage erfuhr ich, dass es um 10.30 Uhr eine Brotzeitpause für alle Kinder geben würde. Hätte ich das doch nur im Vorfeld gewusst, dann hätte ich mich während der wertvollen Vormittagszeit auf das Erstellen der Lateinschulaufgabe konzentrieren können.

So radelte ich jedoch abermals nach Hause, es verblieben exakt noch 40 Minuten, um glutenfreie Brezen für unseren Jüngeren zu besorgen. Als die ersten Kommunionskinder bereits die Treppen vom Gemeindesaal runterstürmten, traf ich schweißgebadet und mit einer von mir frisch gekauften und belegten glutenfreien Breze für unseren Jüngeren im Pfarrsaal ein.

„Nun muss ich wirklich schicken, mir bleiben nur noch 50 Minuten bis zur gemeinsamen Andacht übrig.“ Ich krame abgehetzt vor unserer Tür nach dem Hausschlüssel, durchsuche alle Rucksackfächer – nichts, das Leinensackerl – nichts. Dann werde ich wohl in aller Hetze die Leinensackerl verwechselt haben. Mir bleibt nichts anderes übrig, als ein drittes Mal zum Pfarrheim zu radeln und den Hausschlüssel aus dem Sackerl der Jungs zu nehmen.

Hastig sperre ich auf, in Gedanken schon ganz bei Ciceros Verteidigungsrede und stoße mich dabei so heftig an unserem Schuhregal, dass mein kleiner Zeh höllisch schmerzt und sich im Lauf des weiteren Tages tiefblau verfärbt. Wenigstens die letzten 10 Minuten, bevor ich erneut zur Kirche radeln muss, möchte ich dem Lateinischen widmen. In diesem Moment läutet das Telefon: „Unsere Heizung funktioniert nicht, Ihr Mann muss unbedingt kommen.“ Der ältere Herr hat – im Gegensatz zu mir – alle Zeit der Welt und lässt sich – auch auf mein freundliches Drängen hin – nicht von seinem Vorhaben abbringen, diverse Anekdoten zum Besten zu geben.

So wie ich es gerade noch rechtzeitig zur Andacht schaffe, erreichen wir nach einem eiligst eingenommenen Mittagessen kurz danach ebenfalls auf den letzten Drücker die S-bahn, welche uns ans andere Ende der Stadt bringt, wo der Zirkus Roncalli im Werksviertel für einen Monat sein Quartier aufgeschlagen hat.

Die Zirkusvorführung ist sehr kurzweilig und beeindruckt durch ein perfektes Zusammenspiel von Musik, farbprächtigen Kostümen und atemberaubender Akrobatik.

Leider lässt sich bei weitem nicht so rasch ein geeigneter Abschnitt aus Ciceros Verteidigungsrede finden wie diese beiden Zauberkünstler im Sekundentakt ihre Kleidung gewechselt haben.

Und so ist an diesem Tag zwar immerhin die erste Kommunionsgruppenstunde mit allen nötigen Bastelsachen absolviert und dem Zirkus Roncalli ein Besuch abgestattet worden. Die lateinische Rede wartet jedoch immer noch auf ihre Bearbeitung und ich habe bis jetzt noch keinen einzigen Schulaufgabensatz herbeigezaubert…

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