Gerade hatte ich noch 30 Zehntklässler bei ihren Übersetzungsbemühungen von Ciceros Verteidigungsrede für Roscius zu bändigen, nur wenig später saß ich bereits im Zug, um mich auf den Weg nach Salzburg zu einem dreitägigem Schreibseminar zu machen. Dank der wegen zahlreicher Bauarbeiten nur eingleisig befahrbaren Zugstrecke traf ich in der allerletzten Minute beim Seminar ein.
Während ich in der ersten Schreibübung – dem Ausschmücken und fantasievollem Fortführen eines Lückentextes mit passenden Adjektiven – mit meiner relativ vielschichtigen und umfangreichen Geschichtsentwicklung reüssierte, punktete ich in der anschließenden Übung nicht gerade. Anders als die sehr prominente Leiterin unseres Seminars, welche just an dem ersten unserer drei Seminartage einen unglaublich erfolgreichen Vertragsabschluss für ihr nächstes Buchprojekt zu feiern hatte, wollte mir diese Schreibübung nicht so recht gelingen. „Malen Sie mit den Worten ein Bild.“ lautete die Aufgabe. Wir sollten dies z.B. an dem Ausgangssatz „Sie wachte auf.“ ausarbeiten, wobei einzig Mimik, Gestik, Bewegung, Körpersprache und Tempo in den Sätzen enthalten sein sollten.
Über den kleinen Misserfolg trösteten großzügig eingeschenkter Schaumwein sowie köstliche Salzburger Mozartkugeln hinweg. Nach einem gemeinsamen üppigen Abendessen mit Antipasti aller Art half ein nächtlicher Spaziergang entlang der Salzach ein wenig bei der Kalorienverarbeitung, bevor es einige Stunden später bereits mit dem zweiten Teil des Seminars weitergehen sollte.
Allerdings schweiften meine Gedanken immer wieder von der Salzburger Idylle zur häuslichen Situation ab. War unser Zölisohn doch am Wochenende bei einem Kindergeburtstag eingeladen, für den ich in all meinen Schreibpausen immer wieder neue Essens- und Trinkangebote wie Muffins, Schokoriegel, Hotdogbrötchen (extra glutenfrei) und vieles mehr auf ihre Glutenhaltigkeit bzw. auf die Art ihrer Kohlenhydratmenge bezüglich der abzugebenden Insulinmenge abzuwägen und zu berechnen hatte.
Die Nachmittagspause am zweiten Seminartag nutzte ich nicht nur für einen Schmuckkettenkauf – diese Engelsruferkette soll bei einer stabilen Gesundheit behilflich sein – sondern ich besuchte noch das Grab von Pater Thomas, einem Benediktinermönch, der auf dem Nonnberg begraben ist und quasi als Ziehvater meinem damals in Salzburg dozierendem Vater diente.
Auf dem Rückweg zum Schreibseminar führte mich ein Miniabstecher in einen frisch eröffneten Gewürzladen. Als ich gerade zwischen Baharatgewürz und Biotahingläsern stand, umarmte mich beherzt mit festem Griff von hinten eine Männerhand. Eine Millisekunde später folgte ein kräftiger, leidenschaftlicher Klaps auf meinen Po.
Irritiert wirbelte ich rum und blickte in zwei, mindest ebenso weit aufgerissene Augen: „Oh, entschuldigen Sie vielmals“; setzte der Mann an, bevor die für diese Berührungen eigentlich Vorgesehene den Gewürzladen betrat. Wie erleichtert war ich festzustellen, dass ich mit einer recht attraktiven Frau in den besten Jahren und nicht mit einem völlig unförmigen, runzeligem uralten Weibchen verwechselt worden war…
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