Das Wochenende war leider auch in der zweiten Nacht von großem Schlafmangel meinerseits geprägt, fiel doch plötzlich mitten in der Nacht völlig unvorhergesehen der Blutzuckersensor unseres Jüngeren aus. So blieb mir nichts anderes übrig, als wie in der Nacht zuvor den Katheter, nun den Blutzuckersensor neu zu stechen.
Der dringend benötigte morgendliche Kompensationskaffee bei so starkem Schlafmangel wäre mir aufgrund der langen Warteschlange vor dem einzigen Kaffeevollautomaten des komplett ausgebuchten Hotels und einem anschließendem zusätzlichen technischem Defekt beinahe komplett verwehrt geblieben, wenn nicht du, liebe Ana, mich noch so liebenswürdig mit einer Tasse versorgt hättest.
Das Schlangestehen zog sich durch unseren gesamten heutigen Tag. Bei herrlichem Spätsommerwetter schoben sich die Menschenmassen nicht nur durch die Heidelberger Altstadt, sondern es hatten sich auch bei der Bergbahn zum Heidelberger Schloss große Menschentrauben gebildet.
Nach geraumer Wartezeit erreichten wir schließlich den sogenannten „Stückegarten“, einem Lustgarten, der seinem Namen Kanonen („Stücke“) verdankt, welche früher dort aufgestellt waren. Das Wahrzeichen Heidelbergs ist nicht nur das Schloss an sich, sondern auch das berühmte große Fass im Schlosskeller, auf dem die Menschen früher sogar auf einer Extrabühne tanzen konnten.
Diesem Superlativ direkt gegenüber steht der stadtbekannte Zwerg Perkeo, eine Figur, welche ihrem Namen der Tatsache verdankt, dass dieser Hofnarr offenbar auf die Frage, ob er noch Wein zu trinken haben möchte, immer auf Italienisch geantwortet haben muss: „Perché no?“. Eine ausführliche, sehr anschauliche Erzählung über diesen Hofnarren ist dem Reiseführer vom Michael-Müller-verlag auf der Seite 228 zu entnehmen, der uns auch heute ein treuer Begleiter war und uns vieles entdecken ließ, was uns ohne Reiseführer verborgen geblieben wäre.
Die Uhr stets im Blick – mussten wir doch genügend Zeit einkalkulieren, all unser Gepäck wieder vom Gepäckraum in unserem Hotel abzuholen und einen nicht so überfüllten Bus, der sonntags einen ziemlich ausgedünnten Takt aufweist, zum Bahnhof zu erwischen- schlenderten wir noch durch das Apothekenmuseum,
betrachteten die Skulptur „Vater Rhein“
und genossen den herrlichen Ausblick von der Schefelterrasse über die Heidelberger Altstadt und den Neckar.
Die Talfahrt mit der Bergbahn beanspruchte noch einmal deutlich mehr Geduld aufgrund immer längerer Warteschlangen, aber wir schafften es immerhin noch bis zu einer weiteren großen Touristenattraktion, der Karl-Theodor-Brücke, welche im Volksmund als „Alte Brücke“ tituliert wird. Der dortige Affe, welcher witzigerweise in meinem Geburtsjahr aufgestellt wurde, soll beim Berühren der rechten Hand für eine Wiederkehr in die schöne Stadt mit der ältesten Universität sorgen.
Wünscht man sich mehr Wohlstand, soll man den Spiegel in der linken Affenhand streicheln. Bei einem großen Kinderwunsch sind dagegen die benachbarten Mäuse der richtige Ansprechpartner.
Da sich die Kinder anschließend noch ein Eis wünschten, begaben wir uns auf die Suche nach einem Eisladen. Dabei habe ich stets die Sorge, dass sich unser Zöli schon so sehr auf ein Eis freut und es dann nichts Glutenfreies gibt.
In dieser italienischen Gelateria direkt hinter der Alten Brücke konnten wir unser Glück gar nicht fassen. Neben einer Eisdiele am Weßlingersee war dies nun der zweite Eisladen, in dem es sogar abgepackte glutenfreie Eiswaffeln gab.
Dafür waren zwar nur einige Fruchteissorten und nicht das gewünschte Nusseis glutenfrei, aber es war wirklich eine große Freude, dass unser Jüngster auch endlich mal wie alle anderen Kinder sein Eis in einer Eiswaffel genießen konnte.
Mit dieser süßen Stärkung im Bauch traten wir dann die abendliche Rückfahrt mit dem Zug nach München an. Im Zug sorgte das von mir mitgebrachte Abendessen für die Kinder offenbar peinlicherweise für eine olfaktorische Belästigung, welche in der Aussage eines vorbeigehenden Fahrgastes gipfelte: „Hier riecht‘s ja ganz stark nach Hundefutter.“
Aber tatsächlich ist es so schwer, genügend abwechslungsreiches glutenfreies Essen für ein Wochenende mitzunehmen, dass ich froh war, dass die Kinder den Thunfischsalat so gerne mögen.
Verlief die Zugfahrt die ersten 2,5 Stunden so traumhaft fahrplanmäßig, hörte dieser Bahntraum kurz vor Mering auf und verwandelte sich zwischendurch in ein regelrechtes Schreckensszenario. Gab es zuerst noch Durchsagen, in denen von einer vorübergehenden Signalstörung die Rede war und dass sich die Weiterfahrt um wenige Minuten verzögern würde, wurde plötzlich von Bahnmitarbeitern kostenloses Wasser für alle Fahrgäste ausgeteilt, was mich schon das Schlimmste fürchten ließ, da wir auf der Hinfahrt, bei der wir ja auch über eine Stunde Verspätung hatten, nicht nur in einem Wagen mit ausgefallener Klimaanlage, sondern auch ohne irgendwelche Wasserofferten saßen.
So ging kurzzeitig die Phantasie mit mir durch und ich malte mir verschiedene Schreckensszenarien aus, z.B. dass Terroristen unseren Zug gekapert hätten oder einige andere wilde Geschichten, so dass ich fast erleichtert war, als wir der Lautsprecherdurchsage entnahmen, dass sich aufgrund einer Stellwerksstörung in Mering die Weiterfahrt auf unbestimmte Zeit verzögert, der Techniker aber immerhin bald käme….
Mit über einer Stunde Verspätung erreichten wir schließlich gegen 21.15 Uhr den Hauptbahnhof, dem wir noch 20 Minuten länger erhalten blieben, da wir um wenige Sekunden unserer anschließende S-bahn verpassten.
Liebe Ana, herzlichen Dank für all deine Geduld, deine zahlreichen Feuchttücher (es tut mir wirklich leid, dass ich allen immer so mit dem Händewaschen auf die Nerven gehe, ohne ein Zölikind wäre mir das wirklich alles vollkommen egal), für alle deine wunderbaren Navikünste und vieles mehr. Wir hoffen auf eine baldige Wiederholung in Berchtesgaden, Innsbruck, Lindau oder wo auch immer. Dann vielleicht mal zur Abwechslung doch mit dem eigenen Auto?
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