So sehr uns leider das Frühstück in unserem jetzigen Hotel enttäuscht, so sehr erfreut sich der Fitnessraum bei unseren Jungs größter Beliebtheit. Heute konnten wir unsere Besichtigungstour sogar erst starten, nachdem die beiden zuvor schon eine Sportrunde eingelegt hatten.
Dabei kam ich mit einem ebenfalls dort sportelndem französischen Paar ins Gespräch, die nicht nur genau wissen wollten, was die Zwillinge da für Geräte am Bauch tragen – so habe ich ihnen Typ 1 Diabetes und Insulinpumpen näher gebracht – , sondern die Jungs auch sehr für ihre Sportlichkeit bewunderten.
Zudem waren sie fasziniert, dass die Jungs sich nicht mit digitalen Medien beschäftigen, sondern sich lieber an den Geräten verausgaben, bevor wir uns dann in das Stadtzentrum aufgemacht haben. Wir wären so gerne mit Leihrädern gefahren, aber haben zu unserem Betrüben keine geeigneten Räder für die Kinder gefunden, so dass wir uns wieder mit Bus und metro und großen Laufstrecken zu Fuß durchschlugen.
Wir begannen unser Erkundungsprogramm im wunderschönen Bornviertel, wo an jeder Straßenecke ein stimmungsvolles Fotomotiv auf einen wartet. Leider hat uns das dort ansässige Picassomuseum nicht mit offenen Armen empfangen.
Scheinen nicht nur wir zu wissen, dass man dort am ersten Sonntag eines jeden Monats sogar einen kostenlosen Museumseintritt hat. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn man vorher online reserviert. Selbiges ist nur eine Woche im Voraus möglich und ich hatte es schon ganz fest vor. Es scheiterte dann einzig daran, dass wir genau an diesem Sonntag unseren Seetag auf dem Weg von Mallorca nach La Spezia hatten, so dass ich kein so begehrtes Onlineticket für das Picassomuseum ergattern konnte.
Dafür begannen wir den Tag, nachdem ich die Jungs schon früh aus dem Bett „gescheucht“ hatte, mit der Besichtigung der wohl schönsten Kirche von Barcelona, welche vor Beginn der offiziellen Öffnungszeiten sogar kostenlosen Zutritt verspricht.
Ich spreche nicht von der sagrada familia (für die ich leider ebenfalls kein Ticket mehr bekommen habe), sondern von der sehr beeindruckenden gotischen Kirche „Santa Maria del Mar“ im Bornviertel.
Die herrliche Akustik durften wir auch gleich während eines Gottesdienstes erleben.
Hierbei faszinierte mich, dass neben den Priestern eine Frau durch die gesamte Messe führte und sehr berührend unter anderem „Großer Gott wir loben dich“ auf Spanisch sang. Allerdings war mir auch dort keine meditative Ruhe vergönnt.
Die Jungs wünschen sich in jeder Kirche stets das Anzünden der Gebetskerzen, so dass ich immer am Zusammensuchen von genügend Kleingeld bin, unterbrochen durch das ständige Kontrollieren der Blutzuckerwerte und das Beheben sehr vieler niedriger Werte durch Gabe von Traubenzucker und Gummibärchen, wirkte sich das vorausgegangene Fitnessprogramm der Jungs etwas zeitverzögert auf ein rasches Sinken der Blutzuckerwerte bei beiden Söhnen aus…
In unserem Marco Polo-reiseführer hatte ich so faszinierende Fotos vom Dach des Mercat de Santa Caterina entdeckt, dass ich die Farbenpracht unbedingt auch den Kindern zeigen wollte. Allerdings war es gar nicht so einfach, einen erhöhten Punkt zu finden, von dem aus man gut das gesamte buntgescheckte Dach der Markthalle bewundern konnte.
So nahm ich all meinen Mut zusammen und fragte in einem sehr edlen benachbarten Hotel auf gebrochenem Spanisch, ob wir vielleicht kurz auf die dortige Hotelterrasse dürften, was uns liebenswürdigerweise gestattet wurde. So hatten wir im zehnten Stock einen grandiosen Ausblick, nicht nur auf das gewellte Dach, sondern auf ganz viele weitere Bauten, welche wir mittlerweile sogar gut den jeweiligen Stadtvierteln zuordnen konnten.
Der Anblick von Bach, Beethoven und Wagner ist auch in Barcelona möglich und zwar in Form von Büsten dieser Komponisten auf der Außenfassade des Palau de la música catalana, ein Jugendstilbau par excellence.
Wir versuchten im Bornviertel wirklich alles zu besichtigen, was uns der Marco Polo-reiseführer empfahl, so auch die typische, noch sehr dörflich wirkende Plaça de Sant Pere.
Dank des wunderbaren Stadtplanes, welcher in dem Marco-Poloreiseführer ganz hinten zu finden ist, gelangten wir -ganz ohne Navi – zu Fuß sofort in den angrenzenden Stadtteil „Eixample“, in dem ein Jugendstilbau nach dem anderen zu bewundern ist.
Aus Rücksicht auf die Zwillinge habe ich nur das Allernötigste davon aufgesucht, wie die Casa Lleó Morera,
die Casa Amatller, das für den gleichnamigen Schokoladenfabrikanten, von Josep Puig i Cadafalch errichtet worden ist
und die zwei bekanntesten Häuser auf der passeig de Gràcia durften wir uns natürlich nicht entgehen lassen, die Casa Battlò
und die Casa Milà, welche auch „Pedrera“ (Steinbruch) genannt wird, da das komplette Gebäude aus Naturstein besteht.
Ich hätte sehr gerne das Besichtigungsprogramm noch fortgesetzt, wollte aber den Jungs den Barcelonaaufenthalt nicht verleiden und hatte ihnen deshalb nach der Casa Milà das Aufsuchen einer Eisdiele versprochen. Dies erwies sich als ein schwieriges Unterfangen.
Zum einen gab es an den großen avenidas keine einzige Eisdiele, zum anderen merkte ich plötzlich, wie viel mehr als sonst (die üblichen Sprunggelenksschmerzen begleiten mich als Hintergrundrauschen ja Tag und Nacht) meine Füße schmerzten, was einer ziemlich großen Blase geschuldet war.
Und ich wurde mir einmal mehr bewusst, wie sehr doch die jeweilige Motivation beim aktuellen Handeln eine Rolle spielt. Während die Jungs plötzlich wieder ganz leichtfüßig durch die Gegend hüpften, tat mir alles extrem weh, war unser nächstes Ziel ja keine weitere Sehenswürdigkeit sondern nur ein schnödes Eis (und das noch nicht mal für mich, da ich fürchte, dass das tägliche pappsüße Frühstück bereits den Kalorienbedarf von einer ganzen Familie deckt…).
Aber für die Jungs mache ich natürlich alles…Endlich hatten wir nach langem Fußmarsch eine Eisdiele gefunden, welche aber nicht garantieren konnte, dass die Eissorten keine Glutenspuren enthalten. Auch bei der zweiten entdeckten Eisdiele wurden wir nicht fündig.
So mussten wir wieder in „unser“ Viertel Poblenou fahren, wo die Jungs endlich ihr versprochenes Eis genießen konnten. Die Beschaffung von glutenfreiem Essen hatte ich mir in Spanien insgesamt noch etwas leichter vorgestellt.
Als ich heute Abend sowieso schon etwas abgekämpft (Tag und Nacht mit den Jungs zusammen zu sein, völlig ohne Rückzugsort kann schon auch anstrengend werden, zumal ich ja permanent auch die gesamte gesundheitliche Verantwortung allein für beide zu tragen habe) die Allergenlisten in den anvisierten Restaurants durchforstete, gab es erschreckend wenige glutenfreie Gerichte.
Und selbst bei den sehr bekannten „Patatas bravas“ wurden immer Spuren von Gluten ausgewiesen, was bei Zöliakiepatienten ja auf keinen Fall möglich ist. So war ich erleichtert, als wir nach vier Restaurantversuchen endlich eines fanden, das angab, wir könnten eine paella bestellen, die absolut glutenfrei sei. Da funkte unser Älterer – der wahrscheinlich auch schon genervt nach der ständigen glutenfreien Essenssuche für seinen Bruder dazwischen und fragte -entweder aus Trotz oder aus Unwissen: „Gibt es dort auch Käsespätzle?“
Bis wir schließlich ein passendes Lokal für die Bedürfnisse beider gefunden hatte -übrigens speisten wir ebenfalls auf Ramblas, allerdings nicht den ganz prominenten, sondern den „Rambla del Poblenou“ – , dauerte es noch und ich wurde zunehmend unruhiger und gestresster, da ich abends ja immer noch viel zu tun habe in Form von dem Katheterstechen für die Insulinpumpen, dem Befüllen der Reservoirs mit neuem Insulin, der Exkursionsplanung für den nächstem Tag, dem Bettfertigmachen der Jungs, etc.
Da unser Jüngerer sich zudem auch noch unbedingt gewünscht hatte, das abendliche Fußballmatch zwischen dem FC Barcelona und dem CA Osasuna (Beginn um 21.00 Uhr) zu verfolgen, verschob sich die Bettgehzeit noch einmal deutlich nach hinten.
Nun hoffe ich auf eine Nacht, die durch möglichst wenige Pumpenalarme unterbrochen sein wird -auch wenn die Paella mit Hühnchen, die unserem Zöli wider Erwarten hervorragend geschmeckt hat und auf die der Bruder, welcher Tortellini bestellt hatte, sogar ganz neidisch war – sehr schwierig insulinmäßig zu berechnen war und dass die Jungs noch einmal viel Kraft trotz der -wie immer viel zu kurzen Nacht – für den letzten Besichtigungstag in Barcelona schöpfen werden.
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