Gangway, gefährlicher Gegenstand, glutenfreier Gerichtemangel

Ich habe ja auf dieser Reise noch nie ein Taxi genommen, aber aufgrund der zahlreichen lieben Kommentare, welche mir alle aufgrund meiner Odysseen mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit unserem so wuchtigem Gepäck zu einer solchen Taxifahrt rieten, bestellten wir uns tatsächlich am Freitag Mittag ein Taxi direkt vor unser Hotel.

Welch völlig unvorstellbarer Luxus, zum ersten Mal keinen einzigen Koffer auch nur eine Treppenstufe rauf oder runter schleppen zu müssen. Für die etwa (staubedingte) 30-minütige Taxifahrt zum Hafen zahlten wir um die 30 Euro und konnten entgegen meiner Befürchtungen sofort für unsere Schiffsreise einchecken.

Ich war noch nie für mehrere Tage auf dem Schiff, aber da gerade unser Älterer dermaßen begeistert von allem, was mit Schiffen zu tun hat, ist und wir just „unser“ Schiff noch vor drei Jahren in der Werft von Papenburg bewundert hatten, nahm ich all meinen Mut zusammen und gönnte ihnen eine siebentägige Kreuzfahrt mit selbigem, immerhin einem der wenigen, das (hoffentlich) umweltfreundlicher mit Flüssiggas betrieben wird.

Ich hatte an alles gedacht und mir im Vorfeld auch schon Bescheinigungen ausstellen lassen, dass die beiden insulinpflichtig sind, Pumpen tragen, wir aber auch Einwegspritzen, etc. mitnehmen müssen. Als wir unsere Kabine bezogen hatten, klopfte schon bald darauf ein Steward, der uns tröpfchenweise einen Koffer nach dem anderen vor die Tür stellte. Einzig der schwarze Koffer, in den ich auch noch einiges zusätzliches Diabetesequipment gepackt hatte, wollte einfach nicht erscheinen.

Ich wurde diesbezüglich zunehmend unruhiger, hatte aber noch so viel anderes (auch bezüglich des glutenfreien Essens zu klären), dass ich mich erst einmal mit den Zwillingen in die lange Warteschlange vor die Rezeption einreihte, um einige Fragen klären zu können. Als wir endlich nur noch einen Gast vor uns hatten, ertönte es plötzlich aus dem Lautsprecher. „Die Gäste der Kabine 9…sollen sich bitte unverzüglich bei der Rezeption auf Deck 6 melden.“ Da wurden wir tatsächlich als einzige von knapp 6000 Gästen aufgerufen, wir sollten eher Lotto spielen…

So eilten wir  unverrichteter Dinge von Deck 17 zum Deck 6 und ich ging im Geiste schon einmal durch, was wir denn falsch gemacht haben könnten. Deck für Deck stieg mehr Panik in mir hoch. Ich glaubte mich dunkel daran zu erinnern, dass irgendwo etwas von einem Mitnahmeverbot von jeglichem Essen und Trinken stand und ich eine Notration an glutenfreiem Essen trotz allem in unseren Koffer gepackt hatte. Oder lag es an unserer Schere, welche ja wirklich mein ständiger Begleiter ist, da ich immer, wenn die Zwillinge duschen, schwimmen oder anderen Wasseraktivitäten nachgehen, viele wasserfeste Pflaster zurechtschneiden muss.

Ein Steward nahm mich an der Rezeption in Empfang und wir eilten mit ihm zusammen über die Gangway wieder ganz raus in die Terminalhalle des Hafens. Ich hatte großen Hunger, wir mussten dringend noch mit unseren Rettungswesten am Sicherheitstreffpunkt vorstellig werden und unser Jüngerer fragte ständig: „Mama, verpassen wir jetzt das Schiff?“

Selbst der Steward trieb zur Eile und meinte, dass es nun erst einmal das Wichtigste sei, dass wir unseren Koffer überhaupt erst mal ganz schnell von Land auf das Schiff bekämen. Auf dem Kabinenfernseher hatten wir schon etwas von einem gefährlichen Gegenstand in unserem Koffer gelesen und ich fing bereits radebrechend dem sehr finster dreinblickenden spanischen Beamten, der mich wie eine Schwerverbrecherin behandelte, zu erklären, warum ich die Schere dringend brauchen würde, als dieser sagte, dass es gar nicht um die Schere ginge, sondern um ein sehr großes Messer.

Dies machte mich zunächst etwas ratlos, erinnerte ich mich doch nur an ein einfaches Buttermesser, das ich stets auf Reisen mitnehme, um auf die Reiswaffeln Erdnussmus schmieren zu können, um einen zu rasanten Blutzuckeranstieg zu vermeiden. Ich durchwühlte also unter strenger Aufsicht unseren gesamten Koffer mit zittrigen Händen, bis ich auf ein von mir völlig vergessenes Obstmesser stieß, mit dem ich immer Obst und Rohkost auf Reisen aufschneide. Dieses Messer musste ich tatsächlich dem Steward geben, um es am letzten Abend der Reise bei der Schiffsrezeption wieder abholen zu können.

Als wir dann mit unserem Koffer, den wir nun selbst aufgrund der Zeitknappheit in die Kabine bringen mussten, wobei die Aufzüge dermaßen überfüllt waren, dass ich nun doch noch an diesem Tag Koffer die Treppen hochwuchten musste, wirkte das Schild von Aida: „Willkommen im Wohlfühlhimmel.“ eher wie ein Hohn für mich.

„Aber ich möchte Knödel mit Sauce“, stellte unser Älterer klar, als ich gerade mühsam den letzten Tisch in dem A la carte-restaurant „French Kiss“ ergattert hatte. Genau diese Art von Speisen gibt es dort selbstverständlich nicht, aber es war schon ein wirkliches Abenteuer, mit der Restaurantleitung überhaupt ein glutenfreies Essen, bei dem sichergestellt war, dass es auch kontaminationsfrei ist, abzuklären.

Nachdem der Blutzuckersensor unseres Älteren (mal wieder) zur völligen Unzeit ausgefallen war, desinfizierte ich die neue Hautstelle und machte alles im größten Zeitstress stechbereit, wollten die Jungs doch unbedingt das Auslaufen vom ersten Hafen um 18.00 Uhr am obersten Deck miterleben.

Der Zeitdruck hatte leider zur Folge, dass ich unglücklicherweise wahrscheinlich am Oberarm unseres Sohnes aus Versehen in einen Muskel gestochen hatte und der Arme sich noch eine Stunde nach dem Stechen des Blutzuckersensors schmerzgeplagt den Arm hielt anstatt unbeschwert dem Auslaufmanöver zuschauen zu können. So machte ich mir natürlich große Vorwürfe. Und es schien auf dem Blutzuckersensorenstechen ein Fluch zu liegen. Als ich beim Jüngeren in den späten Abendstunden einen neuen setzen musste, hörte es gar nicht mehr auf zu bluten, so dass ich nur noch alles mit der Serviette auffangen konnte, was mir ausgesprochen unangenehm war.

Da sich das Auslaufen aufgrund der etwas chaotischen Hafenverhältnisse in Barcelona verzögerte, mussten wir an unseren Tisch im French Kiss eilen, von dem wir nicht nur so gut wie überhaupt keinen Blick auf das Meer hatten, sondern das auch so restlos überbucht war, dass wir zunächst nur einen Zweiertisch angeboten bekamen.

Das glutenfreie Brot wurde zuverlässig in einem Extrabrotkorb geliefert, dann begannen aber auch schon die Probleme bei der Essensbestellung. Da ich nicht glauben konnte, dass die Gnocchi tatsächlich glutenfrei sind wie es die Restaurantleitung auf zweimalige Nachfrage etwas ungehalten bestätigte: „Ja, selbstverständlich, Gnocchi sind doch immer nur aus Kartoffeln…“ , bat ich um die Allergenliste, bei welcher der allererste Blick ergab, dass diese natürlich alles andere als glutenfrei sind.

So konnte unser Zöli überhaupt kein Essen auswählen, sondern musste mit Hühnchenbrust mit Karotten und Kartoffelbrei vorliebnehmen, während der Zwillingsbruder Chicken Nuggets und Pommes verspeiste. Nach der wirklich sehr kleinen Kinderportion war unser armer Zöli natürlich noch nicht satt, so dass wir um einen Kartoffelbreinachschlag baten.

Im Vorfeld hatte ich gehört, dass es im French Kiss immer auch glutenfreie Kuchen gibt. Als ich aber nach dem Hauptgericht nach diesen fragte, wurde mir sehr schroff geantwortet, dass es für Zöliakiepatienten nur Käse oder Obst gäbe. Was ja grundsätzlich immer gut ist, aber halt einen Achtjährigen, der auf allen anderen Kindertellern die leckersten Kuchen- und Eiskreationen sieht, nicht wirklich erfreut.

So erlaubte ich den beiden, weil er mir wirklich so leid tat, als „Nachspeise“ eine kleine Fanta, wobei es mir schon bei deren Bestellung vor dem zu erwartendem Anstieg der Blutzuckerwerte graute…Während unser Älterer eine Fanta nach der anderen, vielleicht noch alternierend mit einer Cola, trinken würde, wenn es denn erlaubt wäre, zerriss es mir fast das Herz, dass unser doppelt geplagter Zöli in diesem Punkt schon wesentlich genauer die Konsequenzen dieser Softdrinks kennt und sich eigentlich deshalb noch nicht einmal an eine Fanta wagte.

Ich, die ich ja sonst so gut wie nie abends etwas esse, wollte dann doch die angebotenen Desserts probieren und bestellte auf Französisch – da es auch in dieser Sprache auf der Menükarte geschrieben war – „une huître au chocolat“ und eine „tarte aux framboises“. Ich musste schmunzeln, als die Bedienung mich leicht genervt belehrte: „Mit mir können Sie Deutsch reden, ich kann kein Französisch.“

Und in dem A la carte-Restaurant musste ich auch noch für eine Flasche Mineralwasser inklusive Trinkgeld 8 Euro berappen – alles in allem würde ich -zumal mit jüngeren Kindern und besonders mit Zöliakie – lieber in eines der anderen zahlreichen Restaurants gehen als in diese französische Brasserie, die mit Sicherheit aber z.B. sehr gute Fischgerichte anbietet.

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Kommentare

2 Antworten zu „Gangway, gefährlicher Gegenstand, glutenfreier Gerichtemangel“

  1. Avatar von Gertraud Berchtold
    Gertraud Berchtold

    Liebe Dorothea, danke für die wieder interessante Schilderung über den weiteren Verlauf Ihrer/Eurer Reise mit den vielen historischen Hintergründen.
    Ich hoffe, dass Sie auch Zeit für Entspannung finden.
    Bei dem Zwischenfall mit dem Messer im Koffer hätte ich auch zittrige Hände bekommen.
    Weiterhin eine schöne Reise wünscht Euch
    Gertraud Berchtold

    1. Avatar von diazlireisen

      Liebe Frau Berchtold, der Messerzwischenfall hat mich wirklich ziemlich gestresst. Als ich gestern bei der Security das Messer wieder zurückbekommen habe, erfuhr ich, dass ein weiterer Gegenstand auch eine Woche bei der Security verweilen musste – ein Bügeleisen. Dies hätte uns nicht passieren können, benötige ich dieses doch selbst zu Hause kaum…Ganz liebe Grüße und noch einen schönen Restabend!

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