So extrem früh wir heute auch schon aufgestanden sind, war es dennoch ein unglaublicher Stress für mich. Nachdem ich das Frühstück für die Jungs zu nachtschlafender Zeit sowie die Fahrtverpflegung für den gesamten Tag zubereitet hatte…
…machten wir uns an die von mir am meisten gefürchtete Aktion: unsere drei Fahrräder mussten nun wieder auf den Radlträger. Und so sehr ich auch kämpfte und fluchte, es gelang nicht. Alleine das Hochheben meines tatsächlich sehr schweren Fahrrads gelang erst nach einigen Versuchen und zog nicht nur ein kaputtes Schutzblech nach sich, sondern hinterließ mir durch das schwere Hochwuchten des Rads auf den Träger so starke Schmerzen in der rechten Schulter, dass ich den ganzen Tag an meine Unfähigkeit erinnert wurde.
Hatte ich mein Rad nach einer quälend langen Zeit und stets einem bangen Blick auf die Uhr, da wir allerspätestens um 10.00 Uhr den Wohnungsschlüssel bei der Zimmervermittlung Zingst abgeben mussten, endlich überall so festgezurrt, dass es nicht runterzufallen drohte, gelang das Sichern der beiden Mountainbikes der Jungs in keiner Weise. Ich mühte mich sicher mehr als eine halbe Stunde damit ab, der Sicherungsbügel ließ sich aber einfach nicht um die sehr dicken Mountainbikerahmen legen.
Dabei kommentierten die Jungs meine erfolglosen Qualen noch mit den Worten: “Beim Papa ging das aber schneller.” Ja, und sie hatten leider mehr als recht. Beim Papa ging es nicht nur schneller, bei der Mama geht es gar nicht. Ich bin alles andere als Superwoman, aber ich hasse wirklich Niederlagen aller Arten. Ich war drauf und dran, die Räder in Zingst zu lassen, bis ich plötzlich auf die rettende Idee kam, diese -natürlich im allergrößten Zeitdruck, das Reinigungspersonal hatte bereits das Putzen der Ferienwohnung begonnen – einfach irgendwie in den Fahrgastraum zu stopfen, wobei ich mir wirklich wie eine Vollversagerin vorkam.
Gerade als ich das Radproblem mehr recht als schlecht gelöst hatte, vernahm ich plötzlich eine ganz weinerliche Stimme unseres Älteren, welcher der wesentlich stillere der Zwillinge ist und oft – mehr oder weniger freiwillig -das Reden seinem Bruder überlässt und litt mit ihm bei folgenden Worten mit: “Mama, mein Bernstein ist plötzlich weg.” Anstatt dringend die Autofahrt zu beginnen, suchte ich nun überall mit ihm den Bernstein. “Heute morgen habe ich ihn noch gesehen”, meinte er verweint, aber nun war er wie vom Erdboden verschwunden. Er tauchte auch trotz intensiver Suche nicht mehr auf und ich kann nur hoffen, dass sein Bruder ihn aus Versehen im heutigen Packstress zu den Muscheln in ein Glas eingepackt hat…
Aufgrund zahlreicher Staus – an bekannten (wieder unsere Rollsplitstraße vor Rostock) und unbekannten Stellen (wir mussten leider von einer Autobahn quer durch ganz Berlin zur anderen Autobahn Richtung Dresden und standen dabei weit über eine Stunde im Stau), was meine Kopfschmerzen auch aufgrund der Schwüle deutlich verschlimmerte, legten wir die erste Pause bereits nach noch nicht einmal 100 gefahrenen Kilometern, aber schon mehr als zweistündiger Fahrtzeit, ein. Solch einen glutenfreien Tomatenbelugalinsensalat essen die Jungs immer recht gerne und er lässt sich hervorragend im Voraus zubereiten.
Zu den Makroärgernissen (bzw. den externen Schwierigkeiten) gesellten sich noch die Mikroärgernisse (bzw. die internen Probleme), so war es wirklich Gift für meine strapazierten Nerven, als unser Älterer aus der Wasserflasche seines Bruders trank, so dass sie nicht mehr glutenfrei war. Um ja jegliche Kontaminationen zu vermeiden, beschrifte ich auf Ausflügen immer jede einzelne Wasserflasche, so dass es eigentlich nicht zu Verwechslungen kommen kann. So musste ich wieder eine neue Wasserflasche öffnen, was ja prinzipiell nicht so schlimm ist, wenn es nicht unsere letzte Wasserflasche gewesen wäre…
Nach wirklich anstrengenden 8, 5 Stunden Autofahrt (unterbrochen durch einige Pausen) und immer noch stärker werdenden Kopfschmerzen bei mir, fürchtete ich in Dresden, ähnlich wie in Leipzig, keinen Parkplatz zu bekommen, da unser VW-bus mit Rad einfach zu hoch für alle üblichen innerstädtischen Parkgaragen ist. So suchte ich mir einen Parkplatz in der Neustadt. Da ich vor lauter Kopfschmerzen schon gar nicht mehr klar denken konnte, warf ich einfach alles Nötige (am wichtigsten ist dabei immer, dass ich an alles Diabetesequipment denke) in unseren Bollerwagen und so zogen wir los, bis wir etwa 10 Minuten später zu einer Trambahnstation gelangten.
Ich werde nie den Blick vergessen, als ich in ziemlich desolatem Zustand den schweren Bollerwagen hinter mir her ziehend mit den Jungs direkt am Hauptbahnhof an einer Gruppe von Obdachlosen vorbeigelaufen bin und diese uns nicht nur sehr erstaunt anschauten, sondern tatsächlich schon zur Seite gerückt sind, um mich quasi in ihre Reihen aufzunehmen.. Wir schafften es jedoch noch gerade so die paar Meter weiter zu unserem Hotel Meininger, was eher dem Standard einer Jugendherberge entspricht, wirklich sehr einfach ausgestattet ist und hier in Dresden auch mit vielen Jugendgruppen ausgelastet ist, die nun auch noch um Mitternacht ziemlichen Lärm veranstalten, so dass an Schlaf nicht zu denken ist, aber die Meiningerhotels haben immer eine sehr zentrale Lage und sie bieten zwar immer nur ein recht überschaubares Frühstücksangebot an, haben aber auch zuverlässig auf Vorbestellung glutenfreie Semmeln.
Trotz großer Erschöpftheit habe ich es mir nicht nehmen lassen, mit den Jungs noch unseren traditionellen Abend-/Nachtspaziergang durch jede neue Stadt, so auch das wunderbare Elbflorenz, zu unternehmen.
Und so erreichten die Jungs auch an diesem Tag trotz der sehr langen Autofahrt spielend weit mehr als 10.000 Schritte.
Dabei liefen wir vom Hauptbahnhof die Prager Straße entlang, wo bei dem Kaufhaus Centrum die berühmten Aluwaben zu sehen sind…
…kamen an dem Pusteblumenbrunnen vorbei, der ein Erinnerungsstück für das nie zum Abschluss gekommene sozialistische Vorzeigeprojekt Prager Straße zu DDR-Zeiten darstellt…
vorbei am Kulturpalast..
…bis hin zum Schlossplatz. Da die Jungs Bahnhöfe so sehr lieben, führte uns der Rückweg dann noch in das Bahnhofsgebäude, bei dessen Anblick ein klitzekleines Berliner Reichstag-feeling aufkommt, ist der Baukünstler schließlich der selbe: Sir Norman Foster.
Als ich die Jungs gerade kurz vor dem Einschlafen gefragt hatte, was sie am schönsten vom ganzen Urlaub fanden, desillusionierte mich zwar der erste Platz ihrer Urlaubshighlights, die Boddentherme (dafür hätten wir auch einfach ins Westbad nach Pasing fahren können, aber sie lieben eben Schwimmbäder aller Arten), aber auf Platz 2 und 3 wurden dann doch regionale Attraktionen wie Rostock und die überdimensionale Sonnenbrille am Zingster Strand genannt.
So hoffe ich, dass ihnen der morgige Tag in Dresden auch bleibend in Erinnerung sein wird…
Schreibe einen Kommentar