Atelier des Lumières, Animationen, Antoine de Saint-Exupéry, Abwärtsrollen

Gänzlich in das Bild oder die Geschichte eintauchen: wo könnte man das besser als in dem Atelier des Lumières, das seit 2018 in regelmäßigen Abständen wechselnde Gesamtkunstwerke zeigt. Im August vor zwei Jahren war ich bereits mit unseren Zwillingssöhnen in der immersiven Show, in der damals Werke von Chagall, Klee und van Gogh in Szene gesetzt wurden. Nun waren wir zunächst auf Werke von Picasso eingestellt, freuten uns dann aber mindestens genauso, als wir sahen, dass es seit dem 11. April bereits wieder eine neue andere immersive Show gibt. Anders als die meisten übrigen widmet sich diese nicht einem oder mehreren Malern und deren beeindruckendsten Werken, sondern einer der bezauberndsten und poetischsten Geschichten: „Le petit prince“ von Antoine de Saint-Exupéry.

In einer ehemaligen Bleigießerei des 19. Jahrhunderts entstand im Jahr 2018 dieses imposante digitale Kunstzentrum. In einer beeindruckend großen Halle mit 10 Meter hohen und 80 Meter langen Mauern werden mit insgesamt 140 Laserprojektoren auf Böden, Leinwände und Säulen farbenprächtige Bilder und Textausschnitte aus dem kleinen Prinzen geworfen, welche alle Besucherinnen und Besucher in ihren Bann ziehen.

Aufgrund meiner extremen Fußschmerzen haben wir dieses Mal ein ganz besonderes Abenteuer gewagt und ich habe bereits im Vorfeld für unseren gesamten diesjährigen Parisaufenthalt Leihfahrräder für mich und die drei Kinder reserviert. Dabei musste ich bei den Kinderfahrrädern sehr schnell sein. Während der sympathische Fahrradverleiher, welcher mit den Jungs sogar auf Deutsch kommunizieren konnte, über 55 Erwachsenenfahrräder – bei denen allerdings bei weitem nicht jeder Gang einlegbar ist – verfügt, bietet er nur zwei Kinderfahrräder für 8- 12-Jährige an.

Wir wollten unbedingt rechtzeitig beim Atelier des Lumières sein und eilten nach dem obligatorischen ersten Eiffelturmbesuch – auf Wunsch unserer mittleren Tochter erhaschten wir den diesjährigen ersten Blick sogar aus der touristisch sehr beliebten Métrolinie 6 – sofort zu der vermeintlich richtigen Adresse des Fahrradverleihers, welche auch am Ende seiner Bestätigungsmail angegeben war.

Nach einigen Irrwegen und beinahe unerträglich stärker werdenden Fußschmerzen bei mir standen wir schließlich vor der richtigen Adresse, nur war außer einem Schild an der Hausmauer mit seinem Namen weit und breit nichts von einem Fahrradverleih zu sehen. Mit klopfendem Herzen rief ich bei diesem an, als ich mit Schrecken feststellte, dass er eine Viertelstunde später schließen würde.

Der relativ junge Franzose war jedoch superfreundlich, beruhigte mich und erklärte mir, dass sich sein Fahrradverleih etwa eine halbe Stunde von unserem aktuellen Standort entfernt befinden würde, er aber auf alle Fälle auf uns warten würde. Schweißgebadet erreichten wir schließlich die richtige Radverleihadresse und  genossen es umso mehr, dass wir in der herrlichen immersiven Ausstellung nicht viel rumlaufen mussten, sondern uns einfach erst einmal ein Plätzchen an einer der Betonmauern suchen konnten und in das Gesamtkunstwerk rund um den kleinen Prinzen eintauchen konnten.

Der einzige Vorteil unseres wirklich stressigen Hinweges bestand übrigens darin, dass ich anders als noch im letzten Jahr auf meine Nachfrage hin beim Starbucks in der Gare de l’Est auf der Suche nach den Kaffeetassen mit der gewünschten Parisaufschrift fündig geworden bin.

Die Geschichte des kleinen Prinzen wird in dieser immersiven Ausstellung eindrucksvoll musikalisch untermalt präsentiert und erfreute sich allergrößter Beliebtheit. Ich war ausgesprochen dankbar, dass ich bereits lange im Vorfeld Karten reserviert hatte – je vous remercie beaucoup, chère Caroline Vaisson, de la collaboration si gentille et vos réponses si rapides – , denn an diesem Karsamstag war das Atelier des Lumières komplett ausgebucht. Auch wenn man nicht viel oder überhaupt kein Französisch beherrscht, bekommt man die wichtigsten Inhalte über farbenprächtige Bilder in einer abwechslungsreichen Show vermittelt.

So entwickelt sich für Alt und Jung  die Geschichte des kleinen Prinzen auf faszinierende Weise noch einmal ganz neu. Sobald man die riesengroße Fabrikhalle betritt, wird man sofort von dem Gefühl eines großen Kinoerlebnisses erfüllt und man taucht in eine komplett andere Welt ein. Und das ohne mit dem gesamten Gepäck, das man so für unterwegs den gesamten Tag mitschleppt, belastet zu sein, da man alle nicht benötigten Sachen davor in Garderobenschränken einsperren kann.

Sehr positiv ist in diesem Zusammenhang zu vermerken, dass man hierfür noch nicht einmal Geldstücke braucht – welche zumindest ich nie in der benötigten Anzahl oder in dem geforderten Geldwert zur Verfügung habe – , sondern, dass ausreichend viele Jetons dafür griffbereit bereitgestellt werden.

Für alle, welche zudem die französische Sprache beherrschen, bietet sich diese Ausstellung noch zusätzlich als eine entspannte Grammatikwiederholung an. So durfte ich auf Nachfrage unserer Tochter nach dem Tempus anlässlich des an die Wand projizierten Satzes, welcher mit „Soyez“ begann, ihr gleich erklären, dass es sich hierbei um keine Zeit, sondern vielmehr einen Modus, nämlich den subjonctif handelt, welcher in diesem Fall allerdings den Imperativ von être darstellt.

In der immersiven Show werden die wichtigsten Textausschnitte und Zitate von Saint-Exupérys berühmtestem Werk zu farbintensiven Bildern und einer stimmungsvollen Musik oder auch Vertonung der französischen Texte zu einem mitreißenden Gesamtspektakel. Schön ist zudem, dass man beliebig lange in dieser so besonderen Ausstellung bleiben kann. Möchte man den gesamten filmischen Durchgang einmal in seiner ganzen Länge erleben, sollte man mit einer Verweildauer von einer knappen Stunde rechnen.

Die „le petit prince“- Show wird nach einem kurzen Intermezzo eines experimentellen Filmprojekts, das mit „The journey“ betitelt ist und verschiedene Muster, Gebäude und Bäume an die Wände projizierte -für meinen Geschmack wirkte dies allerdings recht zusammenhangslos und unmotiviert – zum erneuten Eintauchen ständig wiederholt. Steigt man zur Empore nach oben, fasziniert nicht nur die Menge an dem gespannten anwesenden Publikum die Besucher, sondern man erfährt im hinteren Teil des oberen Stockwerks zudem noch vieles über das Leben und Werk von Saint-Exupéry – auf Französisch und Englisch.

Dabei ist es immer wieder faszinierend sich zu vergegenwärtigen, dass die so zeitlose und vielschichtige Geschichte des kleinen Prinzen bereits knapp 80 Jahre alt ist, wurde sie doch ein Jahr nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in Frankreich veröffentlicht. Beschwingt von dieser ganz anderen Begegnung mit Saint-Exupéry et le petit prince, traten wir wieder in das Freie, wo uns passenderweise statt des davor erlebten Regens ein blauer Himmel, wenigstens für kurze Zeit, erwartete, so dass wir unsere Radtour durch Frankreichs Hauptstadt noch fortsetzten.

„Dank“ meines geringen Orientierungsvermögens in Verbindung mit einer gewohnt extrem schlafarmen Nacht für mich aufgrund zahlreicher Insulinpumpenalarme und einigen anderen nächtlichen weiteren Problemen brauchten wir relativ lange, bis wir zu unserem nächsten anvisierten Ziel, dem berühmten Parc des Buttes Chaumont, der zur damaligen Weltausstellung im Jahre 1867 angelegt worden war, angekommen waren.

Dort amüsierten sich die Zwillinge bestens beim Abwärtsrollen der Hügel – nach unserer Rückkehr werde ich wie gewohnt wieder unzählige Waschmaschinenladungen zu bearbeiten haben-, bevor wir bei erneut einsetzendem Regen und weit fortgeschrittener abendlichen Uhrzeit schließlich den Weg zu unserem sehr spartanisch ausgestattetem Meiningerhotel im zwölften Arrondissement antraten bzw. anradelten, in dem ich noch lange in der hauseigenen Küche beschäftigt sein sollte, alle hungrigen Mäuler zufriedenstellend zu stopfen…

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