
Gerade hatte ich noch von großer Milde mit den Schülerinnen und Schülern geleitet aus einer sehr wackligen Zwei zu drei tendierend dank der letzten guten mündlichen Unterrichtsbeiträge eine glatte 2,5 bei einigen Mittelstufenschülern erhalten und auch alles andere Schulnotwendige für den Notenschluss hatte ich erledigt, als wir bereits am späten Nachmittag im Auto gen Berchtesgaden saßen.

Leider hatten wir dieses Mal nur eine einzige Übernachtung vor uns, haben aber jede einzelne Sekunde mit unserer lieben Freundin Ana und deren drei Kindern, welche sich hervorragend mit unseren drei Jüngsten verstehen, genossen. Einzig die nachmittägliche Hinfahrt hatte sich aufgrund des Berufsverkehrs und der allgemeinen Verkehrssituation rund um München sehr gezogen. Und bin ich bereits ausgesprochen erschöpft gestartet, sollte leider die einzige Nacht in Berchtesgaden für mich so überhaupt keine Erholung bringen.

Sobald die Zwillinge einem anderen Tagesrhythmus als gewöhnlich folgen – und am Ankunftstag in Berchtesgaden aßen sie zwangsläufig später zu Abend und verausgabten sich noch bis zum späten Abend mit den lieben Freunden beim Tischtennis und Fußball – gestaltet sich die darauffolgende Nacht für mich ausgesprochen schlafarm, was auch diese Nacht leider der Fall war.

Die ersten Nachtstunden ließ mich ein häufiger Unterzuckeralarm im Wechsel bei den beiden immer wieder aufschrecken und nicht mehr in den Schlaf finden, da ich mich zu den Jungs bei jedem Alarm immer noch auf die Hochbetten der Jugendherberge quälen musste. In der zweiten Nachthälfte kamen noch andere Alarme wie „Reservoir unter 20 Einheiten, Control-IQ sagt einen BZ-wert unter 70 in den nächsten 15 Minuten voraus, etc.) hinzu und aufgrund des frühen Endes des Jugendherbergsfrühstück war die Nacht noch deutlich früher als sonst vorbei.

Dieses Mal war zu meiner großen Freude auch mal wieder unsere vierzehnjährige Tochter dabei, die quasi nahtlos von der einwöchigen Chorschulfahrt mit uns nach Berchtesgaden gefahren war. Benebelt von der viel zu kurzen Nacht, aber voller Vorfreude führte uns unser erster Weg nach dem Frühstück zu Deutschlands ältestem aktivem Bergwerk, dem Salzbergwerk von Berchtesgaden.

Davor wurde mir mal wieder einmal mehr bewusst, dass ein und dieselbe Wirklichkeit von jeder/m wirklich immer ganz anders erlebt werden kann. So hatte ich gerade unserer Teenagertochter beim Blick von der Jugendherberge auf das Wahrzeichen des Berchtesgadener Landes minutenlang vorgeschwärmt, als diese doch wirklich ganz ernsthaft konstatierte: „Ach so, der Watzmann ist ein Berg. Ich dachte, dass dies eine Person ist.“

Mit einem etwas mulmigen Gefühl betrat ich das Bergwerk, hatte ich doch die Worte des Reiseführers hierzu noch sehr gut in Erinnerung „nichts für Klaustrophobiker“. Allerdings stellte die sich nach der 650 Meter langen Stolleneinfahrt mit dem Zug bedrohlich aufbauende steile Bergmannsrutsche für mich eine wesentlich größere Herausforderung dar. Nur den Kindern zuliebe überwanden Ana und ich uns zu dem gemeinsamen Rutsch“vergnügen“. Meine große Angst im Vorfeld vermochte unser Besichtigungsführer nicht zu verkleinern, als er auf meine bange Frage: „Ist denn beim Rutschen schon mal etwas Schlimmes passiert?“ unverzüglich antwortete: „Ja, auf alle Fälle.“

Beeindruckend ist der Besuch mit Sicherheit. Sehr positiv empfand ich zudem, dass die Bergwerksführungen immer durch echte Bergwerksarbeiter gehalten werden, welche insgesamt 14 Tage im Jahr den Besucherführungsdienst übernehmen.

Auf Nachfrage erfuhren wir, dass alle, welche in dem Bergwerk arbeiten möchten, bereits einen Handwerksberuf im Holz- oder Stahlbau (unser Führer war gelernter Steinmetz) aufweisen, bevor sie dann noch eine zweijährige Zusatzausbildung durchlaufen müssen. So erhielten wir wirklich auf all unsere Fragen ausgesprochen kompetente Antworten, zudem strahlte er eine große Freundlichkeit aus.

Am tiefsten Punkt der Führung in etwa 140 Meter Tiefe, einem Salzsee, welcher just in meinem Geburtsjahr entstanden ist, fuhren wir mit einem Boot und untermalt von einer stimmungsvollen Lichtershow über selbigen, bevor es langsam wieder mit einer kleinen Standseilbahn und der bekannten Grubenbahn zurück an das Tageslicht ging.

Noch die angenehmen kühlen Temperaturen von etwa 12 Grad im Körper spürend, standen wir nach einer kurzen Autofahrt mit zahlreichen anderen Touristen in gleißender Mittagssonne in Schönau am Königssee und fühlten uns vor dem Fahrtantritt eher wie die Kandidaten der Kinderquizshow „Eins, zwei oder drei“, da uns aufgrund von mangelnder Kommunikation der einzelnen Mitarbeiter untereinander munter im Zehnminutenabstand immer wieder eine andere Nummer des Ablegestegs genannt wurde, so dass wir von Steg 1 auf Steg 2 wechselten, um wieder zum Steg 1 gedrängt zu werden, bis wir schließlich nach etwa einer halben schweißstreibenden Stunde das Schiff zum eine Stunde entfernten Salet besteigen konnten.

Auf dem Königssee dürfen ausschließlich die 19 elektrisch betriebenen Ausflugsboote sowie einige Ruderboote verkehren, welche einen dank der geringen Fahrtgeschwindigkeit von circa 12 km/h lautlos und beinahe schwebend durch den spiegelglatten Königssee, der Trinkwasserqualität aufweist, gleiten lassen. Von Salet erreicht man in einem etwa 20-minütigen Fußmarsch, den herrlichen Obersee, bei dem die Zeit viel zu schnell verflog.

Sehr lobenswert bei der bayerischen Seen-Schifffahrt hervorzuheben ist unter anderem, dass sie sowohl kinder- als auch behindertenfreundliche Preise haben. Zahlt man doch als ein vollzahlender Familienangehöriger nur für das erste Kind von 6-17 Jahren den halben regulären Preis, jedes weitere Kind zahlt nur noch 1 Euro. Und wer immer einen Schwerbehindertenausweis vorzeigen kann, darf sich sogar über ein kostenloses Fahrtvergnügen erfreuen.

Dieser Tag schien zudem prädestiniert für viele, nicht gerade auf der Hand liegenden Fragen und Antworten zu sein. Nachdem nun unsere liebe Teenagertochter in Zukunft vielleicht mit dem Namen von Deutschlands zweitgrößtem Berg etwas anfangen kann, hatte unser Jüngster während unserer Fahrt auf dem Königssee noch nicht das Einzigartige an dem wunderbaren Trompetenspiel des Bootsführers bei der so berühmten Echowand begriffen, als er mich nach dem Erklingen der Musik relativ unbeeindruckt fragte: “Mama, war das jetzt echt?”

Ja, mein lieber Sohn. Und wie das echt war. Nach der Vorbeifahrt an dem idyllischen Malerwinkel backbord passierten wir auf der Steuerbordseite die weltweit berühmte Echowand. Und wir hatten das Glück, den Bootsführer live wunderschöne Trompetenklänge spielen zu hören und deren beeindruckendes Echo mitzuerleben, was mir um Stufen lieber ist als das noch vor einigen Jahrzehnten übliche Böllerschießen an der besagten Stelle.

Von Salet ist die nächste Bootsanlegestation St. Bartholomä, wo wir immerhin noch ein wenig Zeit hatten, die so markante und bekannte Kirche von innen und außen zu bewundern, bis wir das allerletzte Schiff gegen 18.00 Uhr wieder zurück bestiegen. Faszinierenderweise stellen die herrlichen Elektroboote die einzige Möglichkeit in Ermangelung eines Fußweges oder gar einer Straße dar, zu der so pittoresken Kirche zu gelangen. Die Schiffsbesatzung war so lieb, dass unsere Jungs sogar in der Kapitänskajüte das aktuelle Viertelfinale der EM anschauen durften.

Insgesamt ist die Schifffahrt auf dem Königssee trotz der Menschenmassen ein absolutes Highlight, ist dies nicht zuletzt die einzige Möglichkeit die Schönheit des gesamten Sees zu genießen und auch die so berühmte und grauenhafterweise immer wieder Todesopfer fordernde Ostwand des Watzmanns aus nächster Nähe zu bewundern.

Auch wenn ich aufgrund des völligen Schlafmangels auf der abendlichen Autorrückfahrt immer wieder wirklich gegen einen bedrohlichen Sekundenschlaf ankämpfen musste, war unser Kurztrip für alle Beteiligten ein grandioses Erlebnis. Und liebe Ana, ich danke dir von Herzen, dass du nicht nur alle unsere Eigenheiten immer völlig gelassen erträgst, sondern sogar auf der Rückfahrt deinen VW-bus zu großen Freude der Jungs zu einem Partybus (dies war offenbar sogar das unumstrittene Highlight unseres gesamten Kurztrips) umfunktioniert hast, mit dem sie am liebsten gleich morgen wieder zum nächsten Ausflug starten würden….

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