Märlistadt, Märliweg, Minusgradschwimmen, Markthalle

Als ich gerade das neue Jahr mit einem Schwimmen im Bodensee einläuten wollte, erschien plötzlich ein wunderschöner Regenbogen für sehr kurze Zeit am Himmel, ganz so, als ob diesen mein Vater zur Neujahrsbegrüßung uns schicken würde, um mich zwar bezüglich des Schwimmens im eisigen Wasser für etwas verrückt zu erklären – er, bei dem ich mich auch bei sommerlichen Temperaturen immer schicken musste, um das obligatorische Schwimmfoto von ihm für Mama innerhalb der wenigen Minuten, welche er im Wasser verbrachte, zu schießen- aber natürlich auch, um uns allen ein gutes Neues Jahr zu wünschen (nach wie vor völlig unfassbar, so endgültig ohne ihn auf Erden….)

Tatsächlich hat der Bodensee keine Minusgrade – ein anderes Wort mit „m“ beginnend fiel meinem völlig ermüdeten Kopf (die Nächte sind leider nach wie vor für mich eine einzige Tortur) nur leider rund um das Thema „Eisbaden“ nicht ein – , aber durch den heutigen starken Wind wirkte das Wasser, das wohl um die 6 ° Grad hat, wirklich wie lauter kleine eisige Nadelstiche mitten auf jede einzelne meiner Hautstellen.

Die Gegend rund um Radolfzell besticht durch ihre Nähe zu der Schweiz und so wollen die Kinder unbedingt jedes Jahr zu dem wunderschönen Schweizer Städtchen Stein am Rhein, wo es jeden Dezember bis zum 2.Januar des Folgejahres die sogenannte Märlistadt gibt. Jedes Jahr wird ein neues Märchen ausgesucht und dieses liebevoll illustriert und innerhalb der Stadt werden 20 Märchenstationen dazu aufgebaut.

Bin ich doch eine relativ gute Märchenkennerin, war ich ganz verwundert, dass mir der diesjährige Titel „Juna und der Bär“ so überhaupt nichts sagte, bis ich zu meiner Beruhigung las, dass die Steiner das Märchen „Östlich von der Sonne und westlich vom Mond“ umgetauft sowie nach ihren Bedürfnissen umgeschrieben hatten und es nun mit „Juna und der Bär“ betitelten.

Den Liebhabern der Antike müsste der Stoff aus „Amor und Psyche“ sehr bekannt vorkommen, wo Psyche auch entgegen dem Gebot handelt, das Wesen neben ihr aus überschäumender Neugierde unbedingt genau sehen möchte und dabei Wachs der brennenden Kerze auf den jungen Mann neben ihr fällt.

Im Bodenseereiseführer des Michael Müller Verlags wird  Stein am Rhein sehr treffend als (S. 263) „das Miniaturstädtchen Stein am Rhein, ein Schatzkistchen für Liebhaber der Spätgotik und Frührenaissance“ gepriesen und es wird „zu den besterhaltenen Kleinstädten der Schweiz“ gezählt. „Spätgotik und Frührenaissance bestimmen das Stadtbild.“

Bei eisigem Wind, großer Kälte und einsetzendem Regen folgten wir tapfer der etwa einstündigen Führung auf dem Märliweg, um den Inhalten von „Juna und der Bär“ folgen zu können. Da das Wetter danach jedoch immer noch unwirtlicher wurde, widmeten wir uns dem Bingospielen im warmen Märlihus. Zur großen Freude der Kinder bestritten wir schließlich alle drei Spielrunden und waren damit knappe 2,5 Stunden beschäftigt. So konnten wir zwar leider nicht mehr viel anderes von dem sehr reizvollen historischen Städtchen besichtigen, waren aber immerhin die ganze Zeit im Warmen und Trockenen, während es draußen heftig windete und schüttete.

Obwohl ich auf Wunsch der Kinder wirklich viele Bingoscheine gekauft hatte, fehlten uns in den ersten beiden Runden immer noch einige wenige Zahlen bis zu einem Bingo. Erst in der letzten Runde durften alle Kinder auch nach dem ersten vollständig ausgefüllten Spielzettel noch weitere Bingozahlen eintragen und so kam es, dass schlussendlich auch die Zwillinge jeweils einen Gewinn in Form eines Postkartenkalenders und eines Autobausatzes ihr eigen nennen durften.

Während ich in Singen den Zwillingen gerade erklärte, was genau man unter einem Gewerbegebiet versteht, und gleichzeitig berechnete, wie viele Insulineinheiten sich unser Älterer noch geben sollte, blitzte es plötzlich und ich war leider – obwohl ich es mir so festvorgenommen hatte, dass so etwas nicht mehr passiert – auch dieses Jahr wieder zuverlässig in die Blitzerfalle getappt. Tatsächlich kenne ich kein Bundesland, das über mehr Blitzstationen als Baden-Württemberg verfügt…

Für die bereits insgesamt entstandene Zahlungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen wäre sicher schon eine Übernachtung im viel gerühmten Steigenbergerhotel in Konstanz drin gewesen. Der Ärger über diesen unnötigen Geldverlust wurde durch das Abholen meiner Mutter vom Radolfzeller Bahnhof verdrängt und wir fuhren mit ihr zusammen gleich wieder in die Schweiz, dieses Mal in den Kanton Appenzell.

Dort stiegen wir beim Bahnhof Rorschach in die relativ kostspielige nostalgische Zahnradbahn ein, welche in den Wintermonaten einmal stündlich in das Biedermeierdorf Heiden fährt. Das malerische Dorf ist in die Hügellandschaft der Appenzeller Berge eingebettet und wir können dem Autor Siebenhaar vom Michael Müller Verlag voll und ganz zustimmen, wenn dieser von der Unternehmung auf S. 221 schwärmt: „Zahnradbahn Rorschach-Hafen -Heiden, eine echte Attraktion!“

Meine Mutter und ich waren uns sofort einig, dass diese Zahnradbahn auch meinem Vater ausgesprochen gut gefallen hätte, ist sie doch ein einzigartiges, wenn auch leider mit nur 14 Minuten Fahrtdauer relativ kurzes Erlebnis, bei dem man sagenhaft schöne Ausblicke auf den Bodensee präsentiert bekommt.

Anders als unsere Zwillinge, welche Neujahrstags bedingt einen enormen Schlafmangel aufwiesen, interessierten sich meine Mutter und ich noch sehr für das Bauwerk, das nur 5 km von Rorschach entfernt steht und erst nach dem Tod des Künstlers im Jahre 2002 fertiggestellt wurde.

Eindeutig ist dieses Gebäude auf den allerersten Blick dem umtriebigen Künstler Friedensreich Hundertwasser zuzuordnen, der einzig diese sogenannte Markthalle mit den wunderbar vergoldeten Zwiebeltürmen den Schweizern hinterlassen hat.

Da wir die Markthalle bereits nach Einbruch der Dunkelheit erreichten, konnten wir die zauberhafte Atmosphäre vor der Flaschenwand, in der sich tagsüber das Licht bricht, nur erahnen.

Während unser Älterer und meine Mutter sich im Auto dann einem längeren Nickerchen hingeben konnten, versuchte ich mich immer müder werdend, auf den Verkehr und die richtige Strecke zu konzentrieren, während ich zugleich mit unserem Jüngeren – leider erfolglos – unser Autoradio wieder zum Laufen bringen wollte, das – mir völlig unverständlich – plötzlich seinen Geist aufgegeben hat.

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