Da wir bei der Zugfahrt durch das Höllental nur einen viel zu kurzen Blick auf den so prominenten Hirschen werfen konnten, widmeten wir diesem nun auf unserer Rückfahrt mit dem Auto deutlich längere Zeit.
Deutlich mehr Zeit als geplant benötigten wir bereits am Vormittag. Ich ging am frühen Morgen unseres Abreisetag meine zahlreichen ToDos durch, welche ich alle noch vor dem morgigen Unterrichtsbeginn zu erledigen hatte von A wie Auspacken der zahlreichen Gepäckstücke , B wie Bettenbeziehen über W wie Waschen und Z wie Zubereiten des Mittagessens für morgen und der heutigen abendlichen Mahlzeit, etc., als unser Jüngerer heiter verkündete: „Mama, da oben ist noch meine Mütze.“
Er zeigte fröhlich mit seinem Finger ganz nach oben auf den Hochschrank. „Da habe ich aus Versehen meine Mütze hochgeworfen.“ Als „Versehen“ konnte diese Aktion sicher nicht bezeichnet werden…So sehr ich mich auf dem schleunigst herbeigeschobenen Stuhl auch reckte und streckte, weder erreichte ich noch erhaschte ich auch nur einen Blick auf seine Mütze.
„Wie hast du das denn überhaupt geschafft, dass die Mütze so weit und so hoch nach hinten geflogen ist?“ „Das war schon am Freitag.“ Er hüpfte munter wie ein kleines Rumpelstilzchen durch die Gegend. „Dann müssen wir jetzt die Rezeptionistin um einen Besen bitten.“ Ich zog noch den letzten Koffer aus dem freigeräumten Zimmer hinter mir her und entschuldigte mich vielmals bei der Rezeptionistin für den Zusatzaufwand, die gerade genügend Arbeit mit dem Auschecken von zwei Busladungen an Schweizern hatte.
Dennoch war sie so lieb, kam wenig später mit einer Leiter und starrte ungläubig auf den Hochschrank. „Bist du dir sicher, dass du die Mütze da hochgeworfen hast?“ Sie stellte sich auf die Leiter und stocherte mit einem Bügel auf dem Schrank rum, bis der Holzbügel ebenfalls auf der obersten Schrankablage verschwand. Mit vereinten Kräften beförderten wir schließlich die Strickmütze – und den Kleiderbügel – zu Tage und begaben uns unter peitschendem Regen auf den Rückweg mit unserem uralten VW-bus.
Glücklicherweise wurden wir während der Fahrt nicht von den bereits am Morgen angekündigten Orkanböen von der Straße gefegt. Wohl aber, als wir in Friedrichshafen eine Pause einlegten und am hinteren Hafen den Aussichtsturm hochstiegen. Der Bodensee war extrem aufgewühlt, Wellen brandeten an das Ufer und duschten uns auf dem Weg zum Aussichtsturm kräftig.
Wir mussten uns am Geländer festhalten, um vom sich immer stärker aufbauschendem Wind nicht weggetragen zu werden. So „flohen“ wir rasch wieder in unser Auto. Konnten wir den Wettereskapaden entkommen, lässt mir das Diabetesmanagement leider nie Ruhe. Tatsächlich bin ich auch im Urlaub mal mehr, mal weniger latent dauerangespannt, da die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist, dass zumindest bei einem der Jungs blutzuckermäßig etwas nicht planmäßig läuft.
War meine Nacht häufig durch Unterzuckeralarme beim Jüngeren unterbrochen, bereitete mir nun während der Autofahrt der Ältere aufgrund extrem hoher Werte große Sorgen. Als auch nach mehrmaliger zusätzlicher Insulingaben die Blutzuckerwerte in keiner Weise sanken und plötzlich auch noch ein Okklusionsalarm gemeldet wurde, blieb mir nichts anderes übrig, als im größten Sturm ein komplett neues Infusionsset zu stechen.
Bis zum Abend hatte ich die Werte des Älteren wieder in einen akzeptablen Bereich gebracht, bis die Blutzuckerwerte des Jüngeren Achterbahn fuhren. So kann ich zwar nicht wirklich von den Schwarzwaldtagen als Entspannungsurlaub sprechen, aber unser Älterer hat plötzlich Freude am Aufräumen und Bettenmachen gefunden und dies gleich vor dem Zubettgehen gegen eine kleine angekündigte – allerdings noch nicht vom jüngeren Bruder entrichtete „Servicegebühr“ – unter Beweis gestellt.
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