Da uns ja bereits in der 1. Klasse, als “nur” der Ältere Typ 1 Diabetes hatte, ein Platz in der Mittagsbetreuung unserer Grundschule verwehrt worden, startete ich ihm zweiten Grundschuljahr mit nunmehr zweimal Typ 1 Diabetes und einmal Zöliakie überhaupt keine zweite Anfrage mehr nach einer Betreuungsmöglichkeit. So ist die Hetze nach der Schule natürlich jedes Mal groß, öfters sind die Jungs oder einer der beiden – da sie in unterschiedlichen Parallelklassen sind, unterscheidet sich auch an drei Tagen ihr Schulschluss – vor mir bzw. dem Papa zu Hause.
Dank meiner lieben Eltern, die immer einmal wöchentlich zur frühen Mittagszeit kommen, müssen die Zwillinge glücklicherweise an keinem Tag übermäßig lange allein zu Hause zurechtkommen. Dienstags kommt unser Jüngerer immer nach der 4. Stunde nach Hause. Ich unterrichte an diesem Tag ebenfalls bis zur 4. Stunde und er weiß, dass ich zuverlässig stets spätestens bis um 12.10 Uhr bei ihm wieder bin.
Nun musste ich heute jedoch nach Unterrichtsschluss noch dringend Elternbriefe schreiben, was leider mehr Zeit als geplant in Anspruch nahm, so dass ich mich trotz großer Eile erst gegen 12.15 Uhr auf der Zielgeraden kurz vor unserem Haus befand. Dort rollerte mir plötzlich unser Sohn bereits entgegen, vorbildlich mit Helm auf dem Kopf und Schlüsselband um den Hals und begrüßte mich mit den Worten: “Ich wollte dich schon mal suchen. Ich würde gerne noch mit A. (einem seiner Klassenkameraden) spielen. Darf ich noch zu ihm fahren?”
Ich ging davon aus, dass dieser bei sich zu Hause auf unseren Sohn warten würde. Als ich unsere Haustür aufgesperrt hatte, war ich deshalb ganz überrascht, als mir nicht nur unser Hund freundlich wedelnd entgegensprang, sondern auch ganz rührend ein etwas schüchterner, rundlicher, ausgesprochen höflicher Junge vor mir stand, den unser Sohn offenbar zusammen mit unserem Hund (nicht ohne ihn fürsorglich gefragt zu haben, ob er eine Hundehaarallergie oder Angst hat) in unserem Flur ganz treu warten ließ, bis unser Jüngerer wieder geruhte, nach Hause zurückzukehren.
“Das ist mein neuer Freund.” Ich freute mich und fragte, seit wann. Darauf bekam ich zur Antwort: “Seit der 1. Klasse, aber wir haben uns nie gesehen.” Aha, die Logik muss man nicht so ganz verstehen. Jedenfalls war ich sehr begeistert zu sehen, dass er nicht nur die Spülmaschine ausgeschaltet und seine Brotzeitdose aus dem Schulranzen genommen hatte – eine Handlung, welche den anderen drei Kindern trotz täglicher Ermahnung vollkommen abwegig erscheint- , sondern sogar schon das frisch gespülte Besteck in die Schublade eingeräumt hatte.
So erlaubte ich ihm natürlich in der Zeit, in der ich das Mittagessen fertig kochte, noch zu dem Freund zu fahren und Lego zu spielen. Nach einer Stunde wurden es dann von Minute zu Minute mehr Mitesser an unserem Tisch. Leider kam ich kaum zum Essen, läutete es doch abwechselnd am Telefon oder an der Haustür, diverse Freund/innen wollten mit unseren Kindern spielen, erfrugen die Hausaufgaben oder wollten Fußballkarten tauschen. Dazu kam noch die plötzliche Sorge um die telefonisch nicht erreichbaren Schwiegereltern, deren Abwesenheit mir meine Schwägerin plötzlich sehr besorgt mitteilte. So stand im diametralen Verhältnis die Abnahme des Kümmerns um alle Bedürfnisse der Kinder zur Sorge um die Schwiegereltern, welche sich schließlich jedoch in Wohlgefallen auflöste.
Die Nachmittagsstunden verronnen, ohne dass ich irgendetwas Produktives zu Stande brachte. Im Gegenteil, das häusliche Chaos wuchs von Stunde zu Stunde. Zwischendurch fuhr unser Älterer zum gerade neu eröffneten Dirtbikepark unserer Gemeinde und machte dessen Namen alle Ehre. Vollkommen verschwitzt, von Kopf bis Fuß komplett verdreckt und einen stechenden Geruch verströmend (wo ist nur der süße Babyduft geblieben?) stand er am späten Nachmittag wieder vor unserer Tür.
Die Hausaufgaben waren immer noch nicht begonnen und auch noch kein Takt am Schlagzeug geübt. Zunächst blieb mir aber nichts anderes übrig, als ihn in die Badewanne zu stecken, damit er sich anschließend – bereits kurz vor dem Abendessen – wohl duftend endlich der Erledigung seiner Hausaufgaben widmen konnte, deren Kontrolle oft einige Nerven kostet.
Und auch unser Hund ließ sich nicht lumpen. Hatte er sich doch während des Spaziergangs in einem unbeobachteten Augenblick in einem völlig verdreckten Gewässer eine Abkühlung verschafft, so dass der im ganzen Fell sitzende Schmutz auch noch Stunden später munter im gesamten Erdgeschoß abblätterte…Zudem war er auch noch am späten Abend eine olfaktorische Zumutung für alle anderen Familienmitglieder.
Da kam die allwöchentliche abendliche Yogastunde mehr als gelegen, welche mit einer längeren Dankbarkeitsmeditation abschloss, bei der man auf keinen Fall einschlafen sollte, sondern im Idealfall einen Alphazustand erreichen konnte. Ich tat mein Bestes, schaute allerdings nach dem Ende dieser Meditation sehr konsterniert und überrascht zu meiner Mattennachbarin, als die Yogalehrerin uns alle gefragt hatte: “Habt ihr euch gewundert, dass ich so viele Gegenstände wie Park, Löwe, etc. während der Mediation genannt habe?” Und ich nur etwas beschämt antworten konnte: “Welche Gegenstände?” Da scheine ich leider doch aufgrund der Tagesereignisse sofort eingeschlafen zu sein…
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