Weltnaturerbe Wattenmeer, Wattwagenfahrt, Wattenpost, Wattenlauf, Wasserturm, Wellenbad

Frierend, vom kalten Wind durchweht und vollkommen durchnässt suchten wir Schutz auf einer Bank vor einer Duhner Apotheke, hatte sich das Wetter doch leider bereits am Vormittag deutlich schlechter entwickelt als wie es vorhergesagt war. Wir wollten an diesem Tag das Cuxhavener Wattenmeer-Besucherzentrum aufsuchen und radelten -so gut wettergeschützt wie es ging – los. Bereits vor dem Aufbruch musste ich mich ärgern, dass an einer neu gekauften Jacke der Zwillinge plötzlich die abknöpfbare Kapuze spurlos verschwunden blieb, bei der ich noch eine Woche zuvor stets die Jungs ermahnt hatte, diese ja dran zu lassen. Ob mit oder ohne Kopfbedeckung wurde der Regen jedoch in kürzester Zeit so heftig, dass wir schlotternd eine notdürftige Unterstellmöglichkeit aufsuchten.

Zum Zeitvertreib kamen uns die angesehnen Statusmitteilungen der Freundinnen und Freunde wie ein Hohn vor, welche ausnahmslos alle Aufnahmen vom Strand, Seen oder auch Bergen in nah und fern bei strahlendem Sonnenschein zeigten, während wir nicht nur an diesem Tag wirkliches „Schietwetter“ hatten. Es sollte nicht weniger werden und so radelten wir dennoch weiter, bis wir an einer Sackgasse strandeten, wo es nur noch einen Fußgängerweg auf dem Deich gab. So fuhren wir kreuz und quer leider zahlreiche Umwege, bis wir wieder auf einen Radweg stießen. Dieser wäre bei schönem Wetter sehr idyllisch verlaufen, man kommt an vielen Pferdekoppeln und weidenden Kühen vorbei, so aber froren wir von Meter zu Meter noch mehr, bis wir endlich, endlich in dem erst zehn Jahre alten Wattzentrum ankamen.

Dieses ist nicht nur für alle kostenlos und beeindruckt allein schon durch den eindrucksvollen Bau, sondern erklärt zudem sehr gut verständlich Groß und Klein alle Besonderheiten des Weltnaturerbes Wattenmeer. So war mir z.B. gar nicht so recht bewusst, dass es eine von Cuxhavens Besonderheiten ist, dass die Heiden erhalten blieben und kein Deich das Land vom Meer trennt. Da die Heide oder der Walt ganz natürlich an der Geestkante (Kliff) ins Wattenmeer übergehen, kann man übrigens gerade auch in den Wintermonaten, wenn weniger Urlaube da sind und alles kahl und vielleicht sogar noch schneebedeckt ist, häufig auch mal einen Fuchs oder sogar eine Wildschweinmutter mit ihren Frischlingen auf einer Eisscholle treibend sehen, wie uns der Barkeeper am letzten Abend erzählte.

Meinen großen Schmerzen gereichte es absolut zum Vorteil, dass es dort sogar eine Vielzahl von Klappbesucherstühlen gab und so konnte ich in völliger Ruhe mit den Kindern im Sitzen alle Erklärungen zu den Gezeiten, den typischen Bewohnern des Wattenmeers in der Unterwasserwelt und vieles mehr durchlesen.

Auch wenn ich sehr gerne dringend nach dem Museumsbesuch eine warme, trockene Stätte, erfüllte ich unserem Jüngsten den Wunsch, der unbedingt um 15.00 Uhr bei dem ausgeschriebenen Beachvolleyballspiel teilnehmen wollten. Wir beeilten uns und waren ganz pünktlich am besagten Strandabschnitt, nur leider war, tröpfelte es immer noch und verhieß der stark wolkenverhangene, schwarz-graue Himmel nichts Gutes, außer uns kein einziger da. Die Enttäuschung war riesengroß und so konnte nur ein Kauf eines bestimmten langersehnten Balles die Stimmung wieder ein wenig aufhellen.  

Vom Strand aus konnten wir zudem das Wiedereintreffen der von Pferden gezogenen Wattwägen beobachten und freuten uns, dass wir uns für eine Fahrt einen Tag früher entschieden hatten, auch wenn wir dafür noch einmal 50 Minuten früher aufstehen mussten, da das Watt ja täglich um 50 Minuten später begeh- und befahrbar ist. Saßen diese Urlauber während der Wattfahrt die allermeiste Zeit im Regen, hatten wir einen Tag davor deutlich mehr Glück gehabt. Zu früher Stunde kletterten wir in einen Wattwagen der originalen Wattenpost, welche früher immer nur einmal in der Woche, an einem Dienstag, den Bewohnern der Insel Neuwerk die Post gebracht hat.

Mittlerweile fahren die Wattenpostwägen täglich, allerdings nicht, weil sie so zahlreiche Post auf die Insel Neuwerk mit ihren etwa 30 Einwohnerinnen und Einwohnern zu befördern hätten, sondern vielmehr, da diese insgesamt etwa vierstündigen Fahrten ein absolutes Touristenhighlight sind, gibt es diese Wattwägen doch weltweit nur in Cuxhaven und Umgebung. Man konnte sich am Morgen nicht etwa einen Wagen aussuchen, sondern wurde familienweise mit dem Namen aufgerufen. Und so mussten wir sehr lachen, als wir feststellten, dass vorne neben dem etwa 65-jährigen Kutscher nicht nur seine etwa 40-jähriger Tochter saß, welche ursprünglich eigentlich auch an diesem Tag geplanten ersten Wattlauf teilnehmen wollte, nun aber aus gesundheitlichen Gründen lieber mit dem Wagen fuhr, sondern dass zwei Freundinnen, welche vielleicht ein wenig älter als ich waren, auf der Sitzbank hinter uns Platz genommen hatten, welche sich ebenfalls als Bayerinnen aus Penzberg bzw. Bad Tölz vorstellten.

Und dies war bei weitem nicht die einzige Gemeinsamkeit, arbeiteten doch nicht nur beide bei der großen Firma Roche, welche unter anderem auch die medizinischen Geräte herstellen, mit denen bei unseren Zwillingen in regelmäßigen Abständen der Langzeitblutzuckerwert gemessen wird, sondern hatte die eine Freundin ebenfalls Diabetes, allerdings Typ 2, konnte unserem Jüngsten aber gleich mal nach wenigen Minuten in dem Wattwagen zur Unterzuckerbehebung als Abwechslung mal ganz andere Kaubonbons reichen. Zudem litt sie an extremen Rückenschmerzen, so dass sie unseren Wagen insgesamt lachend als Invalidenwagen bezeichnete.

Die etwa 1,5 -stündige Fahrt über das Watt zur Insel Neuwerk verlief auf diese Weise sehr kurzweilig, zumal unser sehr frühes Aufstehen doppelt belohnt wurde. So hatten wir uns just rein per Zufall den Tag, einen Sonntag, gewählt, an welchem der erste, von Red Bull gesponserte Wattlauf, stattfand und so war es äußerst faszinierend, dass bereits eine Viertelstunde nach unserer Abfahrt die schnellsten der etwa 650 Teilnehmenden an uns vorbeiliefen und dabei teilweise das über das Knie reichende Prielwasser durchwaten mussten.

Da hatten wir es in unserem Wattwagen schon wesentlich bequemer. Zudem erklärte uns der Kutscher immer wieder einige Besonderheiten vom Wattenmeer. Wir kamen an zwei Rettungsbaken vorbei, welche jeweils bis zu sechs Personen aufnehmen können, gibt es doch leider immer einige, welche die angegebenen Wattwanderungszeiten oder die durch die Pricken vorgegebenen Wattwege missachten und dann in lebensgefährliche Priele geraten.

Der schnellste Wattläufer -der in der Laufszene offenbar sehr bekannte 44-jährige Florian Neuschwander, welcher dann auch schlussendlich das Wattrennen in einer Rekordzeit gewann, hatte uns bereits längst überholt, als wir auch auf der Insel Neuwerk eintrafen. Kurz davor durften wir noch erfahren, dass sich neben der heimischen Muschelwelt seit einigen Jahrzehnten auch die sogenannte pazifische Auster in der Nordsee eingenistet hat, deren Schalen eigentlich potthässlich aussehen, aber im geöffneten Zustand wunderbar perlmuttfarben schimmern.

Auf der Insel Neuwerk gibt es außer einem Leuchtturm, einem Schullandheim sowie vier Hotels bzw. Restaurants nicht sehr viel, aber man kann wunderbar vom Deich auf das Festland schauen oder sich innerhalb der 40 Minuten, welche man auf der Insel Neuwerk Zeit hat, die Füße vertreten, ehe man rechtzeitig genug vor dem Einsetzen der Flut wieder den Rückweg antritt. Seit den 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gehört die Insel Neuwerk übrigens wieder zu Hamburg, da Cuxhaven einen größeren Fischereihafen benötigte und so das Land Niedersachsen die Insel Neuwerk quasi bei Hamburg eintauschte.

Auf Neuwerk hatte Red Bull auch für die Läufer eine Versorgungsstation aufgebaut, bei der die Söhne sehr traurig waren, dass sie aufgrund ihres Alters -sehr lobenswert – noch keinen Red Bull bekamen. Und die alternativ angebotenen Energy-Protein-Riegel erwiesen sich leider als nicht glutenfrei, so dass die Zwillinge zunächst einmal leer ausgingen, jedoch im Laufe des Tages am Startpunkt des Wattlaufes sich noch über einige Dosen eines höchst zuckerreichen, aber immerhin Koffein- und taurinfreien Softdrinks freuen konnten. So sehr ich jeden Tag mich immer wieder über die äußerst zermürbenden Dauerstreitereien der Zwillinge ärgere, so gerührt war ich, als der ältere Bruder so rührend war und sofort, nachdem er die erste Softdrinkdose ergattert hatte, einen relativ weiten Weg zurücklegte, um mit dieser zu seinem Basketball spielenden Bruder zu laufen…

Insgesamt können wir diese einzigartige Wattwagenfahrt äußerst empfehlen, während der einem deutlich bewusst wird, von welchen Naturgewalten das Wattenmeer beherrscht wird, bei dem nicht nur die Fahrten im Prielwasser nicht immer ganz ungefährlich sind, sondern zudem die Gegend ja immer wieder von entsetzlichen Sturmfluten gebeutelt wurde, wie von den letzten furchtbaren in den Jahren 1962, 1974 sowie 2013.

Nach der Wattwagenfahrt wollte ich eigentlich gerne noch wesentlich länger radeln, schaffte es aber mit den Jungs gerade noch zu dem sehr pittoresken Wasserturm direkt im Zentrum von Cuxhaven, ehe es die Jungs verständlicherweise wieder an den Strand zog.

Grundsätzlich bin ich stets zerrissen, den Bedürfnissen beider Söhne gerecht zu werden. Während unser ballverrückter Jüngster sofort mit dem frisch erstanden, rosafarbenen Ball zu einem Hartsandplatz eilte, wo er gleich eine Schulklasse traf und die fußballverrückten Jungs aus dieser Klasse sich sehr über das Spiel mit der Neuerwerbung freuten, drängte unser Älterer zum Aufbruch, wollte er doch unverzüglich in das Wellenbad Ahoi von Cuxhaven. Dort angekommen wollte der Ältere unentwegt im Wasser bleiben, während der Jüngere großen Gefallen an den verschiedenen Saunen gefunden hatte. So eilte ich ständig zwischen dem Schwimmbadbereich, wo ich den Älteren beim Wellenschwimmen beobachtete oder mit ihm Wasserball spielte und dem Jüngeren, welcher offenbar bei einigen Saunagängen alle anderen anwesenden Saunierenden unterhalten hatte, hin und her.

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