
Fragt man einen Basken nach seiner Herkunft, wird er in den seltensten Fällen mit „Spanien“ antworten, sondern sehr viel wahrscheinlicher mit dem „Baskenland“, wie wohl auch jemand aus La Coruna oder auch Vigo eher die Herkunft aus Galizien betonen wird, da Spanien im Prinzip in sehr viele autonome Gemeinschaften aufgeteilt ist. Interessanterweise weist das Baskische noch eine Singularität auf, wird das Euskara doch nicht nur gleichermaßen auf der französischen wie auf der französischen Seite gesprochen, sondern ist zudem die einzige sogenannte isolierte Sprache des europäischen Kontinents.

So findet man in Bilbao beeindruckenderweise bei jeder Touristenattraktion die Erklärungen jeweils in den folgenden vier Sprachen: Baskisch, Spanisch, Englisch sowie Französisch. Habe ich am Abend zuvor bereits den Söhnen zu ihrem Unmut angekündigt, dass wir deutlich früher aufstehen müssen, da wir nicht direkt in Bilbao anlegen können, sondern von einem Vorort erst einmal einen etwa 30 – 40-minütigen Transfer bewältigen müssen, sollte die kurze Nacht nicht zwangsläufig für ein zügiges Schiffsverlassen sorgen.

So war nicht nur mitten in der Nacht völlig außerplanmäßig der erst drei Tage alte Blutzuckersensor des Älteren ausgefallen, dessen erneutes Stechen und Kalibrieren einige Zeit beanspruchte, sondern zudem hatte offenbar die große Hitze in Lissabon die Aufschrift auf seiner Bordkarte so verwischt, dass wir nicht mehr durch die Bordkontrolle kamen, so dass wir zuerst einmal die Rezeption aufsuchen mussten, um eine neue Karte ausstellen zu lassen.

Im Shuttlebus erholten sich die Zwillinge erst einmal von den morgendlichen Strapazen und wir fuhren in einer gut halbstündigen Fahrt an einigen sehr attraktiven Villengegenden in Bilbaos Vororten vorbei, in denen sich die Vermögenden dieser Gegend noch weit vor dem Bau des Guggenheimmuseums niedergelassen haben, da damals der Fluss Nervión aufgrund der Schiffs- und Werftindustrie völlig verdreckt war und sich das Leben in Bilbao selbst, das sich am südlichen Ende des Golfes von der Biskaya befindet, alles andere als lebenswert gestaltet hatte.

Mit einiger Verspätung erreichten wir dann das Zentrum von Spaniens sechstgrößter Stadt und umkreisten zuerst einige Male den Palacio Euskalduna, Bilbaos Kongress- und Musikpalast, bevor wir endlich die von mir gesuchte Skulptur einer Ballettänzerin von Salvador Dalí entdeckten. Wie sehr hatte ich gehofft, eine Stadt mal ohne unerträgliche Fußschmerzen besichtigen zu können und freute mich sehr, als ich in der Nähe des Opernsitzes viele gepflegte Fahrräder von einem öffentlichen Leihfahrrädersystems entdeckte. Wir hatten sogar gleich W-lan, das Herunterladen der nötigen App verlief problemlos und auch die ersten Schritte der Anmeldung. Die Jungs hatten in Vorfreude bereits zwei E-bikes bestiegen und krakelten herum, was meine Konzentration nicht gerade förderte.

Kurz vor dem letzten Anmeldeschritt scheiterten wir dann allerdings grandios. Ließ sich in La Coruna ja partout keine ausländische Handynummer eingeben, scheiterte es jetzt an der Personalausweisnummer. Ich hatte extra noch einmal aufwändig gegoogelt, ob ich alle spanischen Anweisungen richtig verstanden hatte, was der Fall war, aber während all meiner zahlreichen Registrierungsversuche schlug die Eingabe meiner geforderten Personalausweisnummer aus mir unerfindlichen Gründen immer wieder fehl. Verzweifelt musste ich nun nach einem Plan B suchen, der meinem kaputten Fuß sowie den Wünschen der Söhne bestmöglich entsprach, so dass wir uns zum ersten Mal auf dieser Reise für einen Hop on Hop of-Bus entschieden, welcher an vielen Stellen so knapp an den Baumkronen vorbeifuhr, dass ich einige Male Äste mitten in das Gesicht geschlagen bekam.

Während der Fahrt erhielten wir per Audioguide auf Deutsch interessante Ausführungen zu den einzelnen Sehenswürdigkeiten wie z.B. einem der letzten erhaltenen Relikte aus der florierenden Werftzeit der Stadt in Form des Krans Carola oder aber auch dem modernen und architektonisch beeindruckendem Fußballstadion San Mamés, in dem Athletic Bilbao offenbar einen Kultstatus genießt, da er ausschließlich aus Spielern aus dem Baskenland besteht.

Insgesamt hat mir an Bilbao sehr die gelungene Mischung aus hypermodernen Bauten und traditionellen Gebäuden gefallen, dazu finde ich stets alle Städte besonders reizvoll, welche von einem Fluss durchzogen werden, welcher in Bilbao der Nervión ist, über den sich sehenswerte Brücken spannen. Dabei sind wohl der Puente Zubizuri, hinter dem sich die zwei futuristischen Wohntürme des japanischen Architekten Isozaki erstrecken sowie der Puente La Salve am beeindruckendsten. Es ist wirklich bemerkenswert, wie sehr sich offenbar diese baskische Stadt in den letzten 30 Jahre verändert hat und nun bezüglich der Lebensqualität in einem Zug mit Städten wie Stockholm, Kopenhagen oder auch Helsinki genannt wird.

Von der Puente La Selva kann man übrigens optimal aus der Vogelperspektive das Guggenheimmuseum fotografieren. Dabei kann man sich immer wieder in das Gedächtnis rufen, dass Bilbao noch vor 30 Jahren quasi ein blinder Fleck auf der touristischen Landkarte war und erst seit dem Bau des Guggenheimmuseums mit seiner Eröffnung im Jahr 1997 der sogenannte Guggenheimeffekt ausgelöst wurde und sich zahlreiche weitere Künstler in dieser früher so verarmten Stadt verewigt haben.

Sogar die Eingänge zu den Metrostationen sind wahre Kunstwerke, die von keinem Geringeren als Sir Norman Foster designt wurden. Und auch bei dem Guggenheimmuseum wird man noch vor dem Betreten desselbigen von sehr bekannten Kunstwerken empfangen.

Der Westhighlandterrier Puppy sollte eigentlich nur vorübergehend in Bilbao stehen, auf Wunsch der Bevölkerung ist diese Kunstinstallation von Jeff Koons nun jedoch dauerhaft zu bestaunen, ebenso wie die Skulptur „Tall Tree & The Eye“, in deren silbernen Kugel sich faszinierend der Fluss, die Brücke und die ganze Umgebung spiegeln.

Die 9 Meter hohe Riesenspinne aus Bronze steht unweit einer anderen Kunstinstallation, welche man zunächst gar nicht als solche erkennen würde, die dann jedoch nicht nur einen wunderbar kühlenden Effekt ausübt – gerade an einem schwül-heißen Tag wie wir ihn in Bilbao erlebt hatten – , sondern sogar noch ein tolles Wortspiel beinhaltet. Die immer wieder genau choreografierten Nebelschwaden sind mit „Fog Sculpture“ bezeichnet oder auch F.O.G., deren Initialen wohl nicht nur zufällig jeweils den Anfangsbuchstaben des Guggenheimmuseumsarchitekten Frank O. Gehry, der unter anderem auch das Tanzende Haus in Prag entworfen hat, entsprechen. Die Jungs hatten sich übrigens an der „richtigen Stelle“ während unserer Hop on Hop off-Tour in die Haare bekommen, präsentierten sie mir doch zu meinem Ärger zerrissene Kopfhörer, was jedoch meinen Entschluss zum Aussteigen verfestigte und sich als die genau richtige Entscheidung herausstellen sollte.

So fanden wir uns vor einer Attraktion des im „Guiness-Buch der Rekorde“ erwähnten Mercado de la Ribeira wieder, der auf stolzen 10.000 Quadratmetern als größter in seiner Art auf drei Etagen Fisch und Fleisch, Obst und Gemüse sowie vieles anderes verkauft und gingen noch – leider durch die extremen Fußschmerzen bedingt – nur kurz durch die Altstadt an bedeutenden Kirchen und der kleinen Schwester der Pariser Oper, dem Teatro Arriaga, vorbei. Peinlicherweise war mir Name Arriaga zuvor noch überhaupt kein Begriff und erfuhr ich nun erst, dass dieser baskische Komponist sogar als der spanische Mozart gehandelt wird.

Die Biskaya-Brücke ist sogar die älteste Schwebebrücke der Welt und seit ???? UNESCO-Weltkulturerbe. Bangte ich bereits auf der Punte la Selva um die Jungs, die bei heftigem Wind sekündlich ihre Sonnenhüte zu verlieren drohten und wo mein Herz immer raste, dass sie irgendwie herabstürzen könnte, verzichtete ich auf eine Fahrt unter dieser weltberühmten Brücke und begnügte mich mit einem Foto, das ich beim Auslaufen von Bord aufgenommen habe.

Leider ist das Motto „Einer schreit immer“, das vor zehn Jahren der Namensgeber einer österreichischen Zwillingsmama für einen Blog war, der aus den ersten anstrengenden Jahren mit Zwillingen berichtete, zumindest bei unseren Söhnen immer noch mehr als aktuell. Beim Abendessen schlangen die Zwillinge zu meinem großen Ärger ihr Essen so rasch herunter, so dass sie mich schon vor dem ersten Dessertlöffel allein speisen ließen.

Als ich mich dagegen dann in der Kabine in den Reiseführer vertiefen und genau den nächsten und letzten Landgang in Le Havre planen wollte, kam unser Jüngerer äußerst geknickt in die Kabine, beklagte sich, dass sein Bruder und dessen Freund ihn ständig vom (Tischtennis)Spielen ausschließen würden und konstatierte mit ernstem Gesicht, dass er sich schon überlegt habe, lieber zu seiner älteren Schwester in die Wohnung zu ziehen, was mich erst einmal leicht sprachlos gemacht hat.
Und auch in den nächsten Tagen sollte häufig ein „Lass mich, lass mich.“ des Einen und ein „in den Schwitzkastennehmen des Anderen“, worauf zuverlässig berechtigtes Geschrei und Weinen ertönte, zu vernehmen sein. Oder aber der eine meinte zum anderen: „Aber ich will jetzt allein mit dem Leo spielen. Der verfolgt uns immer. Sperr ihn (den Bruder) doch einfach in unsere Kabine ein.“ sind dann immer sehr hilfreiche Vorschläge zur brüderlichen Streitschlichtung…
Am Abend erklärte es sich, dass das Zentrum von Bilbao auch von den Einheimischen an einem ganz normalen Werktag so bevölkert war, hatte die Wettervorhersage doch nur noch für diesen Tag gutes Wetter vermeldet, das dann in einen Sturm wechseln sollte, den wir leider auch für die weitere Durchfahrt der Biskaya, was ich ja immer mit am meisten gefürchtet hatte, mitnahmen.
Immerhin konnte ihm die kunstvoll zusammengefaltete Deckdecke ein Schmunzeln entlocken. An einigen Tagen werden die Bettdecken, manchmal noch zusammen mit kleinen Accessoires wie Nespressokapseln oder auch einem Bademantelgürtel zu Gesamtkunstwerken gestaltet, welche eigentlich viel zu schön sind, um sie vor dem Bettgehen wieder aufzulösen. So konnten sich die Kinder im Laufe der Reise über diverse Bettdeckenkunst in Form von einer gefaltetem Hund, Hasen und einer Schildkröte freuen. Und das Reinigungspersonal schien in unserer Kabine ganz besonders motiviert zu sein, hatten wir ihnen nicht nur immer wieder ein großzügiges Trinkgeld hinterlassen, sondern hatte sich unser Jüngster auch sehr süß explizit – und das auch noch auf Englisch – für die tollen Bettdeckenkunstwerke bedankt….
Schreibe einen Kommentar