
Beißender Gestank, den ich nicht so recht weder lokalisieren noch benennen konnte, drang nach einer ohnehin sehr schlafarmen Nacht bereits gegen 6.30 Uhr in meine Nase. Da ich plötzlich fürchtete, dass es sich schlimmstenfalls um einen Gasaustritt handeln könnte und mir sofort vor meinem geistigen Auge tödliche Unglücksfälle aufgrund Kohlenmonoxidvergiftungen oder anderes erschienen, öffnete ich unverzüglich unsere Balkonkabinentür vollständig und fand natürlich aus Sorge vor dem wirklich unglaublich intensiven Gestank nicht mehr in den Schlaf, bis der Kapitän eine Stunde den Grund hierfür erklärte und sich mein Balkonaufreissen als genau die falsche Reaktion herausstellen sollte. So erklärte er uns, dass er auf einem Schwesternschiff eines solchen Tanklasters begonnen hätte und dass dieses sogenanntes Naphta, ein petrochemisches Produkt, das unter anderem zur Verdünnung der Treibstoffe genutzt wird, liefern würde, was mittlerweile aufgrund des exorbitanten Gestankes. -was sicher auch extrem gesundheitsschädigend ist – nur noch in der Nacht am benachbarten Tankerterminal geschehen darf.

Und es sollte leicht toxisch, dieses Mal für meine Füße, weitergehen. Ich hatte mich im Vorfeld bereits aus der großen Not heraus akribisch mit jedem Hafen eingehend beschäftigt, immer recherchiert, wo man öffentliche Räder leihen kann und welche App man hierzu benötigt. In dem Hafen von La Coruna bin ich fest davon ausgegangen, dass alles gut mit dem öffentlichen Leihsystem funktioniert, hatte ich doch bereits von einem der oberen Decks beim Einlaufen in Hafennähe einen Schwung der Leihfahrräder gesehen. Und auch die Verbindung mit einem kostenlosen W-lan-Netz gelang relativ problemlos, danach begann allerdings der Ärger.

Geschlagene 90 Minuten versuchte ich verzweifelt, mich bei „Bicicoruna“ anzumelden. Wie zum Hohn sahen wir in dieser Zeit immer wieder einige der Einheimischen auf diesen Rädern herumcruisen, nur uns sollte es beim besten Willen nicht gelingen, uns bei dieser App zu registrieren. Ich war von Minute zu Minute verzweifelter, war ich doch wirklich auf solch ein Rad angewiesen und lief uns die Zeit davon, aber alle Anmeldeversuche krankten an zwei Stellen. Zum einen ließ die App für die Anmeldung nur eine Handynummer gelten, die maximal neun Stellen hat – die unsere hat jedoch schlicht und ergreifend auch ohne die deutsche Vorwahlnummer einige Stellen mehr-, zum anderen wurde zur Bestätigung des Registrierungsversuchs eine Mail mit einem Code an meine Mailadresse geschickt. Wann immer ich jedoch diese Mail öffnete und mir den stets neu geschickten Code rasch einzuprägen versuchte, war es ein Ding der Unmöglichkeit, auf dem Handy wieder genau auf die Seite zu gelangen, auf der man die geforderte App eingeben hätte müssen. Nach geraumer Zeit bekamen die Jungs bereits schon wieder Mittagessenshunger und wir hatten noch rein gar nichts von der Stadt gesehen, so dass ein anderer Plan auf die Schnelle gefunden werden musste.

Beim Fremdenverkehrsbüro ermutigte man uns, es doch bei einem in der Nähe befindlichen Fahrradverleihgeschäft zu versuchen, da das öffentliche Verleihsystem offenbar nur für spanische Bürgerinnen und Bürger reibungslos funktioniert. So humpelte ich mit den Jungs zu der angegeben Adresse und fand auch nach einigem Suchen das angegebene Geschäft, in der sich die verheißungsvolle Fahrräder befanden. Leider erstickte der dortige Mitarbeiter unsere Freude darüber sofort im Keim, da er uns zwar keinen Grund nannte, aber nicht bereit war, ein Fahrrad an uns zu vermieten. Immerhin nannte er uns nicht nur die Adresse eines anderen Fahrradverleihers, sondern rief liebenswürdigerweise auch gleich dort an, um sich zu erkundigen, ob dieser noch drei freie Fahrräder bereit hätte, was bejaht worden ist. Nur leider befand sich das angerufene Fahrradgeschäft nicht wirklich in der Nähe, zumindest nicht für jemanden wie mich, die einen komplett kaputten Fuß aufweist. Und so begann eine relativ komplizierte Busodyssee, da es nur eine einzige Buslinie, welche in die Nähe des Fahrradverleihgeschäftes führte, welche nicht nur in etwa 40-minütigen Abständen fuhr, sondern auch eine Ringlinie war, so dass wir erst einmal komplett an der Küste um die ganze Stadt herumfahren mussten, bis wir endlich in die Nähe des Verleihgeschäftes gekommen sind.

Immerhin kamen wir auf die Weise mit einer sehr lieben Dame aus La Coruna ins Gespräch, welche sich so angeregt mit uns unterhielt und uns auch gleich noch die richtige Ausstiegsstation angab, dass sie, was mir sehr unangenehm war, sogar ihre eigene Buslinie verpasst hatte. Nach vielen, vielen Stunden hatten wir dann endlich das Fahrradgeschäft erreicht und die ersehnten Räder für relativ teure Mietpreise ergattert. So erreichten wir endlich den ältesten noch funktionierenden römischen Leuchtturm der Welt, welcher im zweiten Jahrhundert nach Christus von Kaiser Trajan erbaut und mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt worden ist.

Nach einer Brotzeitpause mit Blick auf den faszinierenden Atlantik begaben wir uns auf den Weg zu einigen Kirchen in der Innenstadt von La Coruna. Leider fuhren unsere Söhne auch dort alles andere als verkehrskonform, so dass ich ständig auf der Hut sein musste. „Fahr langsamer! Achtung Fußgänger! Du darfst nicht in die Einbahnstraße fahren!“ und vieles anderes wiederholte ich in Dauerschleife. Dennoch bog der Jüngere kurz vor den Markthallen zu schnell um die Ecke, stürzte, verletzte sich zum Glück nicht, aber die Fahrradkette hatte sich gelöst.

Während ich bei allen technischen Problemen immer sofort leicht panisch werde, kümmerte sich unser Älterer mit einer Seelenruhe um die Kette und nach einigen Minuten waren alle unsere sechs Hände rabenschwarz, das Rad aber wieder einsatzbereit. In großer Hitze radelten wir quer durch die Innenstadt bis zum vom Herkulesturm enferntesten Punkt, der St. Antoniusburg, welche im 16. Jahrhundert zunächst erbaut worden war, um Leute mit ansteckenden Erkrankungen von der übrigen Bevölkerung fernzuhalten und im Laufe der Jahrhunderte als Festung und Gefängnis genutzt wurde.

Bei der Festungsanlage angekommen, erschrak ich sehr, als ich mir die Insulinpumpe des Älteren zeigen ließ, die bereits viele rote Unterzuckerpunkte und mittlerweile „Tief“ anzeigte und es nicht zu eruieren war, warum er nicht irgendwie darauf reagiert hat, während ich ja Nacht für Nacht stets sofort beim allerersten Alarm aus dem Bett springe und Traubenzucker verabreiche … So fiel die Pause in großer Hitze erzwungenermaßen länger aus, bis die Blutzuckerwerte wieder in einem guten Bereich waren. Die Zeit für das Zurückgeben der Leihräder war fast erreicht, nach zweimaligem erneuten Richten der Kette, vielen Unterzuckerbehebungen sowie dem Einschlagen einiger falscher Wege, war zwar keine Zeit mehr für ein von mir sehr ersehntes Bad im erfrischenden Atlantik, aber wir hatten die Räder gerade noch zum richtigen Zeitpunkt zurückgeben können.

Nun mussten wir nur noch mit dem Bus zum Hafen gelangen. In gleißender Sonne ohne den geringsten Schatten warteten wir 10, 20, 30 Minuten, ohne dass sich ein Bus näherte. Bald sollten wieder „alle Mann an Bord“ sein und wir hatten es noch nicht einmal in den richtigen Bus geschafft. Schlussendlich blieb uns trotz meines völlig kaputten Fußes nichts anderes übrig, als den gesamten Weg zurück, zwar wesentlich kürzer durch das Stadtzentrum hindurch und nicht so wie die Buslinie den gesamten Außenring fahrend, aber dennoch mit quälenden Schmerzen meinerseits zurückzulegen.

Kurz vor dem Erreichen des Hafens hatten wir immerhin noch eine grandiose Aussicht auf die zahlreichen schmucken Häuser, welche alle mit den für La Coruna so bekannten Glasbalkonen ausgestattet wind, im 19. Jahrhundert gebaut worden sind und der Stadt als Spitznamen „Cidade de Cristal“ eingebracht hat. Als Lateinlehrerin wollte ich selbstverständlich beim Auslaufen noch so lange an Deck bleiben, bis wir noch einmal an dem so berühmten Herkulesturm vorbeigefahren sind. Aufgrund eines medizinischen Notfalls bei einem der Passagiere musste unser Schiff nach einer guten Stunde Fahrt in Richtung Porto wieder umdrehen, um den Fahrgast einem kleinen Schiff übergeben zu können für eine Krankenhausunterbringung. Wir konnten nur hoffen, dass es der Person bald besser gehen würde, profitierten allerdings dadurch von einer wiederholten Vorbeifahrt an dem Herkulesturm.

Positiv ist auf alle Fälle festzuhalten, dass die von mir so gefürchtete Einfahrt in die berüchtigte Biskaya nach dem Verlassen von Cherbourg und am zweiten Seetag sehr ruhig ohne größere Wellenbewegungen verlaufen ist, was alles andere als selbstverständlich ist, wie uns der Kapitän eindrücklich erzählt hatte, dass er Fahrten in der Biskaya auch erlebt hatte, wo die Wellen bis an die Brücke hochgeschlagen sind.

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