Appenzeller Schaukäserei, Aromenvielfalt, Alpenmusik, Abtropfraum, Abgeschiedenheit

Die wohl typischsten kulinarischen Genüsse, welche man mit der Schweiz verbindet, werden der Käse und die Schokolade sein. Da wir durch unsere Besuch bei Aeschbach in der Nähe von Luzern und Läderach im Glarner Alpenland bereits zwei der hochwertigsten Vertreter des braunen Golds kennenlernen durften, freuten wir uns ausgesprochen, unseren Bodenseeaufenthalt in Radolfzell am letzten Tag mit einer weiteren Fahrt über die Grenze, dieses Mal eine Viertelstunde  von der so berühmten Schweizer Stadt St. Gallen entfernt, krönen zu dürfen.

Der Anfahrtsweg gestaltete sich allerdings wesentlich länger als vorgesehen. Teilweise schickte uns das Navi auf so schmale Straßen, dass ich sicherheitshalber nachprüfte, ob ich nicht aus Versehen auf den Fußgängermodus geschaltet hatte. Die Sträßchen glichen vielmehr idyllischen Wanderwegen, gesäumt von Schneehaufen auf der linken und rechten Seite, so dass keine zwei Autos nebeneinander passten.

Als wir endlich eine etwas breitere Straße erreicht hatten, waren die Kinder bereits relativ ungeduldig und stellten die bei Eltern so beliebte Frage: „Mama, wann sind wir endlich da?“ Hatte ich die gesamte letzte Woche auf allen Strecken in Baden-Württemberg höllisch gut aufgepasst, ja nicht geblitzt zu werden – was bei der extrem hohen Dichte der in diesem Bundesland aufgestellten Blitzer alles andere als ein leichtes Unterfangen ist…-, versuchte ich nun den relativ großen Zeitverlust wieder reinzufahren und fuhr offenbar innerhalb einer kleinen Ortschaft etwas schneller als erlaubt, was stante pede von einem grellen Blitzer – und wahrscheinlich deutlich höheren Kosten als in Deutschland – geahndet wurde.

Entschädigt wurden wir dafür von dem bereits sehr liebenswürdigen Empfang in der Appenzeller Schaukäserei. Fast alle werden schon oft den Appenzellerkäse verkostet haben, deutlich weniger werden diesen wunderschönen Kanton auf Anhieb korrekt geographisch in der Schweiz verorten können. Auch für uns war dies der erste Aufenthalt in Appenzell, das für seinen so berühmten Käse weit über die Landesgrenzen bekannt ist.

Gleich am Eingang erhält man zu seinen Eintrittskarten eine aromatisch duftende Käsebox mit verschieden lange gereiften Appenzellerkäsesorten, bei denen man sich sehr beherrschen muss, diese nicht unverzüglich allesamt auf einmal zu verkosten. Jedes Kind erhält zudem einen Schlüssel, mit dem man verschiedene geheimnisvolle Boxen im Museum öffnen kann. Die Erwachsenen bekommen dafür ein kleines Leinensäkchen überreicht, in das man frisch gemörserte Kräuter gegenüber dem Käsekeller einfüllen kann. Auf diese Weise begleiten einen noch lange nach der Rückkehr zu Hause die herrlich würzigen Kräuter, deren Aromen dem Appenzeller den ganz besonderen Geschmack verleihen.

Die kleine Maus Chäsli Jakob führt die Kinder durch die gesamte Ausstellung. Bereits das Verkosten des ersten Appenzellerkäsewürfels ließ wirklich alle drei Kinder – und uns Erwachsene natürlich auch – ins Schwärmen geraten. So war von unserer Tochter zu vernehmen (mit der Auswahl der Adjektive war ich alles andere als zufrieden, aber ich zitiere die Aussagen nun einfach als Originalzitat…): „Endgeil, ich liebe diesen Käse!“. Und der Jüngere forderte mich sogleich auf: „Da müssen wir unbedingt öfters hin.“ Der Ältere fügte, sich die Lippen genussvoll leckend, hinzu: „Echt geil!“

In einem der ersten Ausstellungsräume lernt man durch einen Film, der in mehreren Sprachen angeboten wird, alles rund um den Appenzeller Käse. So erfuhren wir, dass sich das Appenzeller Land vom Alpstein bis zum Bodensee hin zieht, dass die Kühe dort ausschließlich frisches Gras und Heu und kein einziges Silofutter erhalten oder auch, dass der sogenannte Kräutersulz, dessen geheime Rezeptur von Generation zu Generation weitergegeben wird, für das unverwechselbare, würzige Aroma sowie die Rindenfarbe verantwortlich ist.

In einem Teil des Films erklärt ein ausgesprochen sympathischer, sehr versierter Appenzeller Senner, wie man früher und heutzutage den Appenzeller Käse hergestellt hat. In jedem Raum wurden wir zu einer Kostprobe eines der Käsewürfel, welche sich in dem so klangvoll klingenden „Vesper-Tröckli“ befinden, aufgefordert. Der Appenzeller Käse ist für alle Geschmäcker geeignet, gibt es doch Sorten, welche nur 3 Monate gereift sind und sehr mild sind, andere weisen aufgrund ihrer deutlich längeren Reifezeit einen wesentlich würzigeren Geschmack auf. Und unsere Kinder stellten gleich fachmännisch fest, dass der am längsten gereifte Appenzeller ein wenig an den Geschmack von Parmesan erinnert.

Viel zu rasch waren alle Käseproben in unserem Magen gelandet, als wir in den Raum kamen, von dem aus man direkt auf die Käseproduktion schauen kann. Diese wird täglich bis um 15.00 Uhr angeboten und es ist ausgesprochen faszinierend, aus nächster Nähe die einzelnen Produktionsschritte des Appenzeller Käses zu verfolgen. Wir lasen, dass der Käsekessel unvorstellbare 6000 Liter Milch fasst, durften frische Molke probieren und konnten bestens den zwölfschrittigen Lauf der Käseherstellung nachvollziehen.  Frappierend ist z.B. auch, dass jeder Käselaib in einem Salzbad abtropft, in dem er Flüssigkeit verliert und Salz aufnimmt sowie die Rinde bildet. Dabei ist der Salzgehalt in diesem Salzbad in etwa fünfmal so hoch wie der im Mittelmeer.

Sympathischerweise ist der Appenzeller Käse ein echtes Naturprodukt, das völlig frei von Konservierungsstoffen ist. Und so können sich alle Besucher ebenfalls wohlig duftende Kräuter in Bioqualität in das Leinensäckchen abfüllen und haben dabei die Qual der Wahl zwischen Oregano, Mandarinenminze, Majoran, Liebstöckelkraut und/oder Zitronenmelisse. Nachdem ich den Kräutertafeln entnommen hatte, dass Zitronenmelisse unter anderem in Form von Salben zum Beispiel auch gegen Herpes eingesetzt wird, füllte ich noch eine Extrahandvoll von diesem höchstaromatischem Kraut ab, bringe ich doch vor lauter Stress und Ärger, gerade mit einem der Zwillinge, als Urlaubsmitbringsel nicht nur traumhafte Schokolade und Käse, sondern auch einen höchst schmerzhaften, langwierigen Lippenherpes mit nach Hause…

Beim Blick in den Käsekeller, welcher bis zu 12500 Laibe beherbergen kann, faszinierte uns ganz besonders eine Maschine, welche im Dauereinsatz alle Käselaibe automatisch wendete. Waren die Kinder von den Schokoladenmuseen durch zahlreiche Degustationsstationen verwöhnt, war ihr einziger Wunsch an die Schaukäserei die Einrichtung weiterer Käseprobierstationen von diesem so überaus köstlichen Appenzeller Käse.

Wer die Schaukäserei an einem Sonntag besucht, kommt zudem noch in einen weiteren Genuss, einem wahren Ohrenschmaus, den man „Schauchäsi Stobete“ nennt. Dies ist eine typische Tradition aus dem Appenzeller Land. Nicht nur in dem dazugehörigen Restaurant, in dem man unter anderem selbstverständlich auch ein Käsefondue essen kann, sondern in fast allen Ausstellungsräumen wurde die Einführung in die Geheimnisse der Herstellung des Appenzeller Käses von dieser wunderbaren, sehr eingängigen Musik begleitet.

Ein Spielplatz, bei dem die Rutsche sogar aus einem überdimensional großen Appenzellerkäsestück herauswächst, und ein Picknickplatz runden das eindrucksvolle Erlebnis gekonnt für die ganze Familie ab. Vor oder nach dem Erleben der Schaukäserei bietet es sich an, die Vorzüge des Appenzeller Landes noch im Rahmen einer Wanderung (hier gibt es spezielle Angebote für Kinder), einer Zugfahrt oder auch in St.Gallen zu vertiefen.

Wir entschieden uns dafür, St. Gallen mit seinen alten Fachwerkhäusern und dem gesamten Klosterkomplex, der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, einen Besuch abzustatten. Dabei hatte sich meine Sorge, in den Schweizer Innenstädten einen Parkplatz zu finden, leider mal wieder bestätigt, da ich mit unserem VW-bus keine Tiefgarage befahren konnte und zahlreiche Parkplätze aufgrund der Schneehaufen an beiden Gehwegrändern nicht nutzbar waren. Nach einer nervenaufreibenden halben Stunde glückte mir dann doch die Parkplatzsuche und wir bewunderten die Stiftsbibliothek von St. Gallen, welche nicht nur die älteste in der ganzen Schweiz, sondern auch als eine der ältesten und größten weltweit gilt.

Und der Bibliothekssaal darf sich zudem noch eines weiteren Superlativs, nämlich des des schönsten Rokokosaals der gesamten Schweiz rühmen! Liebe Katinka, lieber Claus, im Kellergewölbe haben wir ganz fest an euch gedacht, gab es doch dort unter anderem höchst kostbare Elfenbeintafeln zu bewundern, die Karl dem Großen gehört haben sollen. Viele weitere ausgesprochen beeindruckende Exponate durften wir uns zu Gemüte führen und sogar ein 20-sekündiger Blick auf den ältesten Klosterplan aus dem 9. Jahrhundert nach Christus wurde uns gewährt.

Ich bin immer wieder fasziniert, wie viele völlig unterschiedliche Highlights die Schweiz für Groß und Klein zu bieten hat. Für alle Familien, gerade auch mit mehreren Kindern, bietet sich übrigens vielleicht öfters auch eine Unterkunft auf deutschem Boden, wie z.B. das Naturfreundehaus in der Nähe von Radolfzell an. Dies punktet unter anderem dadurch, dass es über viele 5- und 6-Bett-Zimmer sowie Zimmern mit einer Kochnische verfügt. Seine grenznahe Lage ermöglicht eine hervorragende Tagesausflugsmöglichkeit in die umliegenden Schweizer Kantone, um möglichst viel von der sagenhaften Schweizer Bergwelt, der Kultur und Architektur sehen zu können oder aber auch mit die besten Schokolade und ganz besonders köstlichem Käse genießen zu können.

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