Matisse, Monet, Münster, Mammutfahrt

Als ich erschöpft von einem sehr langen Tag mit extremen Fußschmerzen und einem unangenehmen Tinnitus im rechten Ohr gerade dem allabendlichen Abwaschen aller Brotzeitdosen im Bad nachging, kam unser Älterer zu mir und fragte mich unvermittelt: „Mama, gell, Matis ist doch ein Fisch, oder?“

Ich hielt kurz inne, schlecht gelaunt in dem Wissen, was ich noch trotz Übermüdung abzuarbeiten hatte, und antwortete: „Also, ich kenne nur eine Makrele als Fisch mit einem „M“.“ Da warf unser Jüngerer ein: „Du meinst einen Matjes, oder?“ Wie kamen die beiden nun genau auf diesen Fisch? Ich liebe Matjes über alles, aber tatsächlich hatten wir kurz davor über unseren für den nächsten Tag geplanten Besuch bei der Fondation Beyeler in Rihen bei Basel gesprochen, wobei ich von der dortigen „Matisse“- Ausstellung geschwärmt hatte.

Und dabei hatte sich offenbar im Kopf unseres Älteren (fälschlicherweise) dieses Homonympaar ergeben. Aber Matisse verbrachte so viel Zeit, auch während seiner Reisen, am Meer, dass er mit Sicherheit auch oft Matjes zu sich genommen hatte… Ganz untypisch für mich hatten wir unsere diesjährigen herbstlichen Schwarzwaldtage mit ausgesprochen wenig Kultur als vielmehr mit Baden und sonstigem Kinderprogramm verbracht. So durfte wenigstens an unserem letzten Urlaubstag ein wenig Kultur in Form eines Museumsbesuchs in diesem renommierten Basler Museum auf gar keinen Fall fehlen.

In der Fondation Beyeler, die allein architektonisch immer wieder auch von außen einen Besuch wert ist, gibt es immer wechselnde Ausstellungen zu bewundern. Seit Ende September bis zum Januar nächsten Jahrs sind dort nun beeindruckende Werke aus allen Schaffensperioden des von mir sehr geschätzten französischen Malers Henri Matisse zu betrachten.

Nach einer schlaflosen Nacht bedingt durch ständige Insulinpumpenalarme, familiären Belastungen und dem stündlichen Einschießen während der gesamten Nacht zahlreicher von mir zu erledigender To Do’s noch vor dem Ferienende, quälte ich mich gerädert aus dem Bett, als aus dem Doppelbett der Zwillinge bereits ein furchterregender Rums zu hören war und ich einen schmerzverzerrten Sohn vom Boden klaubte.

Der Jüngere hatte den Älteren zu nachtschlafender Zeit – aus Versehen (???)- vom Bett gestoßen und trotz sofortigem langem Kühlen meinerseits, klagte der Arme noch viele Stunden danach über Kopfschmerzen. So holprig und nervenaufreibend der Morgen begonnen hatte, so war uns das Glück doppelt hold. So erhielten wir nicht nur von dem Rezeptionisten einen genialen Parktipp für Basel, sondern es hatte sich ein sehr lieber Grundschulfreund von mir, obwohl ich wirklich von einem schlechten Gewissen geplagt war, als mir bewusst war, welch Mammutfahrt er mit Bus und Zügen nur für wenige Stunden auf sich genommen hatte, zur Matisseausstellung ebenfalls angekündigt.

Lieber Johannes, allerdings bietet deine zeitintensive Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln immerhin den Vorteil, nicht Gefahr laufen zu müssen, Bußgelder verhängt zu bekommen. Während Tochter und Mutter auf unserer Rückfahrt nach Hause in ihr Handy vertieft waren und ich gerade gleichzeitig einen Streit der Jungs zu schlichten, unser nächstes Ziel beim Navi einzugeben und einen Unterzucker beim Älteren zu beheben hatte, blitzte es auf einmal kurz nach Bad Krozingen und ich stellte erschrocken fest, dass ich statt der 40 km/h nur 10 km/h weniger hätte fahren dürfen…So musste ich – mal wieder – unser essensmäßig gespartes Geld, bereite ich doch auf unseren Ausflügen immer so viel Essen vor, dass wir in keine Restaurants gehen müssen, dem baden-württembergischen Einnahmentöpfchen überlassen…

Anders als bei unserem ersten Baselbesuch, wo ich partout in der gesamten Stadt keinen Parkplatz gefunden hatte, erwies sich die empfohlene Wenkenstraße in Rihen als echter Geheimtipp. In dieser Straße wohnen nicht nur prominente Persönlichkeiten in leitender Position der in Basel ansässigen Pharmaunternehmen und es gibt einen kleinen Zoo inklusive Alpakas mitten in dem Wohngebiet zu bestaunen, sondern man kann nach dem Überfahren der blau-weißen Linie in dem weiß markierten Bereich ganz umsonst ganztägig sein Auto parken.

Nach einem etwa viertelstündigen Fußmarsch erreichten wir die Fondation, wo Johannes bereits auf uns wartete. Ich hoffe sehr, lieber Johannes, dass wir nicht all zu viel Chaos hineingebracht haben und danken dir für deinen großen Wissensschatz. Auch wenn unser Jüngerer direkt nach der Ausstellung diese erst einmal ziemlich mies gelaunt, als die „schlechteste Ausstellung der Welt“ tituliert und lapidar festgestellt hatte: „Ich bin halt kein Kunstfan!“, revidierte er sein Urteil am Abend und freute sich zudem, dass er tatsächlich Recht hatte, als er behauptet hatte, dass Ölfarben quasi nicht wasserlösliche Wachsmalkreiden seien.

Die Bemerkung unseres Älteren beim Betrachten der Werke im zweiten Saal waren wesentlich qualifizierter, als er bei dem Werk „La fenêtre ouverte“, das übrigens wie einige weitere im südfranzösischen Collioure entstanden ist, monierte: „ Da hat er sich aber sauber verzeichnet.“ und dabei treffend beschrieb, was man im Fachjargon mit dem Begriff „Fauvismus“ bezeichnet. So zeigten die Avantgardisten eine Palette ungemischter Farben sowie scheinbar spontan gesetzten Pinselstrichen, wie man es den wilden Tieren (les fauves) zuordnen würde.

Und in der beeindruckenden Ausstellung gab es viele der Werke zu sehen, welche aus Ölfarben auf Leinwand gemalt waren. „Schau mal, Mama, da heißt ein Bild Badeente“ las unser Älterer etwas vorschnell. (Nackte) Badende – nicht Badeenten –  gab es tatsächlich auf einer Vielzahl der Bilder zu entdecken, sei es auf einem der Gemälde, sei es als Bronzeskulptur, welche in einigen der Ausstellungsräume ebenfalls zu bewundern waren. „Mama, ist Bronze mehr wert als Messing? Da würden wir ja viel Gewinn auf dem Wertstoffhof machen…“

Auch wenn sich die Zwillinge teilweise völlig unangemessen etwas despektierlich äußerten, denke und hoffe ich, dass sie doch auch ein wenig verstanden haben, warum ich Matisse so liebe. Die Matisseausstellung ist chronologisch geordnet, so dass man hervorragend die verschiedenen Schaffensperioden erkennt und nicht nur in den Motiven sieht, welche unterschiedlichen Reisen den mit am bedeutendsten und einflussreichsten Künstler der Moderne am meisten beeinflusst haben.

Mir war nicht bewusst, dass die berühmten Scherenschnitte von Matisse erst in seiner letzten Schaffensperiode, als er bereits schwer an Darmkrebs erkrankt war, entstanden sind. Die Ausstellung spannt einen wunderbaren Bogen mit Bildern wie „Luxe, calme et volupté“, das sich mit dem Titel direkt auf den Refrain des berühmten Gedichts von Charles Baudelaire „L’invitation au voyage“ bezieht und im Saal 1 ausgestellt ist bis hin zu den Scherenschnitten, welche in beachtlicher Größe im neunten Saal ausgestellt sind. Und der Untertitel dieser noch bis Ende Januar präsentierten Ausstellung „Einladung zur Reise“ passt doch hervorragend zu diesem Überthema des Blogs.

In der Dauerausstellung der Fondation war gerade unser Älterer, der deutlich kunstaffiner als sein Bruder ist, begeistert, Originalwerke von Kandinsky und Monet zu sehen, welche er im Kunstunterricht bereits als Inhalt und als Inspiration für das Malen eigener Kunstwerke gezeigt bekommen hatte.

Aufgrund der Baseler Herbstmesser war die Innenstadt mit Karrussels, Essständen und viel zu vielen Menschen bevölkert, so dass wir nach einer kurzen Runde zum bekannten Münster im Sonnenschein den Weg zurück zum Basler Hauptbahnhof antraten.

Lieber Johannes, nicht nur vom Anfangsbuchstaben passt der Maler, welcher in der kommenden Ausstellung in der Fondation Beyeler im nächsten Jahr gezeigt werden wird, hervorragend zu dieser Überschrift und wir würden uns sehr freuen, die Munchausstellung mit dir zusammen im Frühjahr besuchen zu dürfen…

Und ich bin schon gespannt, in welcher Reisebesetzung wir in den Osterferien ankommen werden. Als ich am heutigen Abreisetag unsere drei Kinder gefragt habe, ob sie lieber noch ein paar Tage länger im Schwarzwald geblieben wären, bejahten zwei Drittel diese Frage sofort, während unser Jüngerer ganz trocken zur Antwort gab: „Also, ich will unbedingt nach Hause!“ „Auf was freust du dich denn da am meisten?“ fragte ich weiter? „Auf das Einkaufen.“ Da war ich dann doch einen kurzen Moment sprachlos. Ich plane schon lange im Voraus möglichst abwechslungsreiche sportliche, kulturelle und actionreiche Erlebnisse und dann ist es das schnöde Beschaffen von Lebensmitteln, das am meisten vermisst wird…

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