Unter einem Schlumpf stellt man sich ja klassischerweise diese weiß angezogenen dickbäuchigen Figuren mit den blauen Zipfelmützen vor. Im Elsass verbindet man allerdings wohl als erstes mit diesem Wort das illustre Brüderpaar Schlumpf, deren tragischem Schicksal Mulhouse das sage und schreibe größte Automuseum der Welt verdankt. Erst nachdem sich die beiden Textilunternehmer Fritz und Hans Schlumpf verzockt hatten, erfuhr die gesamte Bevölkerung 1976 von dem Ausmaß der unglaublichen Sammelleidenschaft des Brüderpaars.
Anstatt sich um eine ordentliche Führung der Textilfabrik zu kümmern, investierten die beiden Unsummen in alle erdenkliche Automodelle. Und so kann man heutzutage nun über 400 Automobile in der „Cité de l’automobile – collection Schlumpf“ bewundern. Dabei gibt es sowohl die allerersten Autos aus dem 19. Jahrhundert, welche anschließend in den Serienbau gegangen sind, zu bewundern wie alle nur erdenklichen Modelle von Bugatti, Ferrari und Rolls-Royce aus den einzelnen Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts bis zum jetzigen Jahrhundert, aus dem es z.B. den extra für die Hochzeit von Prinz Albert und seiner Frau Charlène gebauten Wagen zu bestaunen gibt.
„Dank“ der juvenilen Bettflucht der Zwillinge, die uns jeden Morgen zu sehr unchristlichen Zeiten am Frühstückstisch erscheinen lässt und für einen dauerhaft erhöhten Cortisol- und Adrenalinspiegel bereits in den frühen Morgenstunden meinerseits verantwortlich ist, hatten wir dieses etwa 50 Minuten von unserer Unterkunft ganz besondere Museum bereits am Vormittag erreicht. Unser Jüngerer hatte trotz ständiger Ermahnungen meinerseits schon am frühen Morgen für andauerndes „Glück“ gesorgt, hatte er doch nicht nur die gesamte weiße Stofftischdecke beim Frühstück mit seinem heißen Kakao tiefbraun gefärbt, sondern ließ zudem nur wenige Minuten später ein filigranes Glas in seine einzelnen Bestandteile zerspringen.
So war ich bereits zu der Zeit, in der die allermeisten noch friedlich im Bett schlummern, in Daueralarmbereitschaft versetzt, während sich der Adrenalinspiegel der Jungs erst vor lauter Autobegeisterung erhöht hatte. Auch wenn wir Frauen in Form von unserer Tochter sowie meiner Mutter und mir zunächst eher den Zwillingssöhnen zuliebe in diese einzigartige Automobilsammlung gegangen sind, waren wir rasch ebenso von der Autofaszination ergriffen. Zudem hatten wir das große Glück, dieses Museum einen Tag vor Halloween besuchen zu dürfen, so dass die Kinder bereits beim Erhalt der Eintrittskarten mit Halloweensüßigkeiten beschenkt wurden.
Und ganz ohne den Spruch „Süßes oder Saures“ runterrattern zu müssen, gab es kurz danach nach einem bravourös gelösten Rätsel („Le mystère des voitures perdues“ ) rund um besondere Automodelle, die nächste Halloweenüberraschung. Zudem malten die Kinder eifrig an ihren Kunstwerken für den Wettbewerb „La voiture la plus effrayante“.
Ist es mir ja vor einigen Monaten in ganz Basel nicht gelungen, mit unserem VW-Bus irgendwo länger als eine halbe Stunde legal zu parken, war ich bereits im Vorfeld auch parkplatzmäßig von der collection Schlumpf hellauf begeistert. So darf man auf diesem den ganzen Tag für nur 2 Euro parken. Er ist so großflächig angelegt, dass die Zwillinge noch vor dem Betreten des Museums eine Runde Fußball spielen konnten – mittlerweile transportieren wir für derartige Trainingseinheiten im Auto immer schon eine ganze Sammlung an Fußbällen.
Und der Parkplatz ist hervorragend geeignet, um im Anschluss an den Museumsbesuch direkt in die Linie 1 der Trambahn einzusteigen, mit der man innerhalb nur weniger Minuten in das Stadtzentrum von Mulhouse gelangt.
Auf fast unvorstellbaren 25000 m2 gibt es mehr als 400 Automodelle zu bestaunen. Darunter befinden sich wahre Highlights wie ein „Bugatti Royale“, der bereits im Jahr 2012 unglaubliche 40 Millionen Euro wert war.
Zudem sieht man auch einen ausgesprochen originellen 300 SL, mit dem das Ehepaar Schlumpf bevorzugt gefahren ist.
Das Museum bietet für Groß und Klein viele Extras wie z.B. eine viertelstündige Fahrt durch das gesamte Museum mit dem elektrischen Zug oder auch einige Abenteuern mit der VR-brille.
So konnten die Zwillinge mit dieser die Reifen eines Rennautos wechseln. „Das ist echt cool, Mama“, konstatierten sie danach sofort. An einem echt coolen Erlebnis wollte uns auch ein ganz besonderer Mann teilhaben lassen. „Haben Sie gerade das blaue Auto auf der Rennbahn gesehen?“, sprach mich plötzlich am Rande des Autodromes, wo wir gerade Brotzeitpause machten, ein distinguiert aussehender Herr mit graumelierten Haaren und einem weißen Autokäppi auf dem schütteren Haupt an.
Da ich gerade mit der Insulinberechnung für die Zwillinge beschäftigt war und nicht sofort reagierte, fuhr er fort: „Sprechen Sie Französisch?“, um den Rest des Gespräches auf Französisch zu führen. Dies entbehrte nicht einer gewissen Komic, da er offenbar auch als Muttersprache das Deutsche sein eigen nannte und wir uns nun auf Französisch unterhielten, während die Zwillinge in meinem Rücken ständig dazwischen krakelten. Stolz wie Oskar erklärte mir der Herr, dass er das gerade war, der in diesem blauen Auto drei Runden auf der Rennbahn gefahren sei.
Ob dies ein besonderes Geräusch gemacht hätte? , erkundigte er sich weiter. Intuitiv wusste ich, dass ich nun von diesem ganz speziellen Sound schwärmen musste, obwohl ich so sehr auf das Bändigen der Kinder konzentriert war, dass ich sträflicherweise alle sonstigen Umgebungsgeräusche ausgeblendet hatte. Zudem bin ich deutlich mehr auf das Vernehmen sämtlicher Insulinpumpenalarmtöne als auf die unterschiedlichsten Motorengeräusche geeicht.
Im Laufe der weiteren von mir höflich geführten Konversation erfuhren wir schließlich, dass sich dieser ältere Mann einen ganz besonderen Jungstraum erfüllt hatte und für unglaubliche (900 !) Euro in einem weltweit singulären Sportwagen von Bugatti, dem sogenannten Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse drei Runden auf der Rennstrecke des Autodromes zurückgelegt hatte. Man beachte auf dem Foto allein schon die unterschiedlich farbigen Felgen, wie uns fachmännisch erklärt worden ist…
Wir lernten weiter, dass dieser Bugatti unglaubliche 3 Millionen Euro kostet. So langsam begreife ich, warum so viele autopassionierte Elftklässler und P-seminaristen männlichen Geschlechts einen Beruf ergreifen wollen, in dem man möglichst viel Geld verdienen kann…
In diesem weltweit größten Automuseum kann man problemlos viele Stunden verbringen und wird immer wieder etwas Neues entdecken. Nach einer ausführlichen Besichtigungstour wollten wir wenigstens noch etwas von dem Stadtzentrum von Mulhouse besichtigen, so dass wir mit der Tram bis zur „Place de l’Europe“ fuhren, um ein wenig von dem Flair dieser 110000 Einwohner fassenden Stadt zu erleben, welche als letzte im Elsass im Jahr 1798 französisch geworden ist.
An der Place de la Réunion ist das ganz besonders prächtige Rathaus zu bewundern, das im Trompe-l’Œil-Stil bemalt und mit den Wappen Schweizer Kantone verziert ist. Die Verbundenheit von Mulhouse mit der Schweiz ist direkt gegenüber des Rathauses übrigens auch durch die Existenz einer aufgestellten Wilhelm-Tell-Statue zu erkennen.
Unmittelbar benachbart zu diesem Schweizer Freiheitskämpfer ist die St.Stephans-Kirche (Temple Saint-Étienne) die einzige protestantische Kirche von ganz Frankreich, die an einem Hauptplatz steht. Überall in der Innenstadt duftete es verführerisch nach Waffeln, deren Geruch ich so gut es ging zu ignorieren versuchte und die Kinder möglichst gut ablenkte. Würde ich doch nur all zu gerne jedem Kind eine große, frisch gebackene Waffel kaufen, was jedoch aufgrund der Zöliakie definitiv nicht möglich ist.
Umso begeisterter war ich deshalb, als wir auf der Suche nach den für die Stadt so bekannten Streetart-Kunstwerken per Zufall auf eine ganz besondere Eisdiele stießen. Diese verfügte nicht nur über eine große Auswahl an glutenfreien Eissorten, sondern hatte eine höchst kompetente Verkäuferin, die unverzüglich, als ich ihr von der Zöliakie unseres Sohnes erzählt hatte, den Eisportionierer ungefragt ganz gründlich unter Wasser abwusch. Etwas, worum ich in deutschen Eisdielen meistens erst umständlich bitten muss.
Ich erschrak, als die Eisverkäuferin die Eiskugel unseres Zölis in ein Eishörnchen füllte, bis ich unser Glück gar nicht fassen konnte, dass diese Gelateria völlig selbstverständlich – und das sogar ohne einen Aufpreis – extra verpackte, um ja jede Kontamination zu vermeiden, glutenfreie Eiswaffeln für alle Zöliakiepatienten in petto hat. So gestärkt traten wir in dem herbstlichen Dauernebel wieder unsere Rückfahrt an. Leider erblickten wir heute keine einzige Minute einen Sonnenstrahl und waren zwischen Sprühregen und Dauernebel gefangen. Genauso wenig wie ich auch nur eine einzige Stunde dem teilweise nervenaufreibendem doppeltem Blutzuckermanagement entkommen kann, so unerbittlich reist auch andere Arbeit während allen Ferien mit.
Und zwar nicht nur in Form der abendlichen/nächtlichen von mir zu erstellenden Schulaufgaben – aktuell konzipiere ich unter anderem gerade eine weitere Lateinschulaufgabe -, sondern auch in Form von mir ausgesprochen bizarr anmutenden Mathematikaufgaben unserer Zehntklasstochter. So versuchte ich ihr, als die Zwillinge nach einem sehr langen Tag endlich eingeschlafen waren, die Prozentrechnung näher zu bringen. Bei einer Aufgabe, welche mir alles andere als realitätsnah erschien. Galt es doch in einem Zwischenschritt auszurechnen, um wieviel Prozent sich eine Pinguinpopulation innerhalb fünf Jahre verringert hatte, wenn von den anfänglichen 5000 Pinguinen nach fünf Jahren nur noch 2952, 45 (???) existierten…
Da ist doch der Kommentar unseres Älteren, den er mit einem wohligen Seufzen nach dem allabendlichen Vorlesen ausstieß, wesentlich nachvollziehbarer: „Also, der Museumsbesuch war bis jetzt das Schönste im ganzen Schwarzwald. Echt cool!“
Chère Mme Zimmermann, je vous remercie beaucoup de votre coopération si gentile et de vos réponses si rapides. On reviendra bientôt, on est vraiment ravi!!!
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