Athen, Bari, Corfu, Chania, Dubrovnik und Ephesus – das A,B, C, D und E der Levanteländer (Teil 6): Athen

„Du bist echt nicht der Hellste“, bemerkte der Jüngere zur viel zu frühen Morgenstunde trocken – und natürlich vollkommen ungerechtfertigt, als er neben seinem Bruder auf dem Bett liegend ein Kreuzworträtsel zu lösen versuchte, das ich den Jungs in der Hoffnung  gegeben hatte, wenigsten noch einige Minuten Schlaf zu bekommen. Ich stehe normalerweise immer bereits vor den Jungs auf, aber ich hatte eine solch kurze Nacht wegen permanenter Insulinpumpenalarmen, dass ich dringend zumindest noch eine Viertelstunde Schlaf benötigt hätte.

Sein armer, leidgeprüfter Bruder gab daraufhin noch nicht einmal Kontra, sondern half ihm ganz treuselig weiter mit sehr guten Lösungsvorschlägen bei dem Vervollständigen des Rätsels. Nur ich stand sofort erbost auf und wies das freche und unverschämte Verhalten des – übrigens elf Minuten jüngeren – Bruders zurecht.

Dafür revanchierte sich der ältere Bruder kurz danach beim ganz genauen Beobachten des Einlaufens in Piräus und glänzte einmal mehr mit seinem geballten nautischen Fachwissen, während nun der jüngere Bruder bezüglich der Schiffe offensichtlichen Schmarrn verzapfte. Da die Blutzuckerwerte immer am besten sind, wenn die Jungs auch im Urlaub stets zur gleichen Zeit frühstücken, trieb ich sie auch an diesem Morgen etwas an, damit wir noch pünktlich mit dem Frühstück starten konnten.

Unser Älterer, so sehr Schiffsbegeisterter wollte jedoch unbedingt noch bei dem Anlegemanöver zuschauen, so dass ich immer mehr drängte , bis wir endlich loskamen. Dabei zog ich mir den großen Missmut des lieben Sohnes zu, hätte er offenbar nur noch wenige Minuten bis zum Vertäuen warten wollen, was mir aber nicht so klar war und im Nachhinein dann sehr leid tat, dass er offenbar just die letzten Minuten beim Anlegemanöver verpasst hatte.

Von Piräus, einem der wichtigsten griechischen Fährhäfen, nahmen wir den Hop on, Hop off-Bus, welchen wir jeder/m Athenreisendem ausgesprochen empfehlen können. Es gibt vier verschiedene Linien des Busunternehmens „Sights of Athens“, welche alle Sehenswürdigkeiten anfahren und dafür einen sehr räsonablen Preis verlangen. Ich habe für mich und die Kinder zusammen nur 32 Euro zahlen müssen. Aufgrund des dichten vormittäglichen Verkehrsaufkommens benötigten wir allerdings für die relativ kurze Strecke von 8 Kilometern eine Dreiviertelstunde Fahrtzeit im stickigen, nicht klimatisierten Bus.

Und diese Verstopfung setzte sich naturgemäß beim ersten Halt an der Akropolis fort. Die Warteschlangen an den Kassenhäuschen waren extrem lang und nach vielen Minuten des Anstehens erfuhren wir, dass erst in über zwei Stunden ein Eintritt zu Athens Wahrzeichen möglich sei. So änderten wir spontan unseren Plan und kletterten zuerst auf den Aeropagushügel, von dem aus man einen phänomenalen Blick auf die Akropolis, viele weitere Ausgrabungsstätten sowie das beeindruckende Häusermeer von Athen und die gesamte Peripherie hat, in der insgesamt fünf Millionen Griechen wohnen.

Dies bedeutet bei einer Einwohnerzahl von insgesamt elf Millionen im gesamten Land, dass jeder zweite Grieche in Athen und der dortigen Peripherie lebt. Die Jungs genossen anschließend einen schattigen Kletterplatz in den umliegenden Bäumen und wurden dabei offenbar auch als eigene Attraktion gerade von amerikanischen Touristen gesehen und oft fotografiert, wie sie ganz oben in die Bäume geklettert waren.

Anschließend wollte ich sehr gerne das relativ neu gebaute Akropolismuseum besichtigen, aber die Jungs baten darum,  zuerst noch in die zweite Hop on ,Hop of-Bus.-linie steigen zu dürfen, so dass wir zuerst das Hadrianstor und den Zeustempel aus nächster Nähe bewunderten, bevor wir vor dem griechischen Parlament dem Spektakel der Wachablösung zu jeder vollen Stunde beiwohnten.

Dabei fasste unser Jüngerer dies ganz treffend als „Riesengeschiss“ zusammen. Und tatsächlich wurde bei der Wachablösung ein ziemliches Brimborium veranstaltet. Ich hatte bei der armen Wachgarde, die in voller Montur ihren Dienst leisten mussten, stets die Sorge, dass sie aufgrund der großen Hitze und der völlig luftúndurchlässigen Kleidung jede Minute ohnmächtig werden.

Blutjunge, kahlgeschorene Kerle, welche schwere Gewehre und mit Nägeln besetzte Schuhe sowie eine besondere, schwere und natürlich langärmelige Uniform trugen, dürfen offenbar keine Miene verziehen und noch nicht einmal einen Becher Wasser selbst in die Hand nehmen. So wirkte es fast ein wenig komödiantisch, als ein Offizier in regelmäßigen Abständen zu den Wachgarden kam, um diesen in Zeitlupentempo liebevoll mit einem Tuch die Schweißperlen vom Gesicht und dem Hals zu wischen, die Kleidung zurechtzuzuppeln oder auch Ihnen einen Becher mit Wasser an die Lippen zu reichen.

Direkt am Austragungsort der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit, dem Panathenaic Stadion, das aus reinem Marmor gebaut ist, versagte plötzlich unser Bus und wir mussten eine geraume Zeit schweißüberströmt in der größten Mittagshitze auf Ersatz warten. Anschließend blieben wir zu lange im Bus sitzen, der aufgrund von zahlreichen Staus und einer nicht zielstrebigen Streckenführung fast eine Stunde durch die Athener Innenstadt kurvte, so dass wir auf den Besuch des Akropolismuseums aus zeitlichen Gründen verzichten mussten.

Als wir in der Plaka von Athen durch die verschiedenen autofreien Gassen schlenderten auf der Suche nach dem Viertel Anafiótika, wo es romantische Stufengassen voller Katzen laut unserem Reiseführer geben sollte, war unsere Katzensichtung mit gerade einem Exemplar sehr übersichtlich. Als ich den Zwillingen tröstend sagte: „Also, meine Lieben, schade, dass wir kaum Katzen hier gesehen haben, aber es war definitiv kein Umweg für uns, da wir jetzt schon fast wieder die Akropolis erreicht haben, traute ich meinen Ohren nicht, als unser Jüngerer allen Ernstes fragte: „Was ist die Akropolis?“

Da habe ich den Jungs einigen Stunden davor auf dem Aeropagushügel inbrünstig schwärmend einen Kurzabriss der Akropolis gegeben und ihnen lebhaft erklärt, warum für die Griechen die Akropolis ein Nationalheiligtum darstellt, verteidigten doch im 5. Jahrhundert vor Christus die Athener nahezu allein die Demokratie des gesamten Europas, als der despotischer Perserkönig mit seinen Heerscharen einfiel, und mussten dafür die Zerstörung der Akropolis in Kauf nehmen, und dann fragt unserer Jüngerer: „Was ist die Akropolis?“ Da blieb auch seinem älteren Bruder nur noch ein genervtes Verdrehen der Augen übrig.

Erklärbar ist dies wohl, dass die Jungs vor lauter Vergnügungen an Bord, allen voran das Tischtennisspielen, wo ich leider immer wieder Zwistigkeiten mit anderen Mitspielern zu schlichten sowie Basalraten bei den Insulinpumpen zu senken habe, um wegen der großen sportlichen Aktivitäten Unterzuckerungen zu vermeiden, und regelmäßigem viel zu spätem ins Bettgehen in Kombination mit tagtäglichen extrem heißen Temperaturen wohl ab und zu etwas besichtigungsmüde geworden sind.

Dagegen finden sie in jeder Stadt wie besttrainierte Trüffelschweine sofort den jeweiligen Süßwarenladen, der so wie in Dubrovnik ebenfalls sehr lobenswert alle Süßwaren bezüglich der Gluten- und Laktosefreiheit deklariert hatte, so dass wir nicht widerstehen konnten und abermals für die kommenden Unterzucker, gerade nach sportlicher Betätigung, für Süßwarennachschub gesorgt haben.

Hatten wir nun leider die Akropolis einzig von der Ferne aufgrund der Menschenmassen gesehen, bot sich uns ein anderes Naturspektakel ganz von der Nähe und dazu noch völlig kostenlos an. Auf der Suche nach dem Dionysostheater wurden wir plötzlich mit dem Anblick einer stoisch vor sich hin kriechenden, immer wieder den Kopf ein-und ausziehenden Schildkröte belohnt. Ich war sehr erstaunt, mitten auf der Akropolis eine echte Schildkröte anzutreffen, welche wohl kaum aus dem Schildkrötenrettungszentrum an Athens Küstenlinie entflohen sein wird, aber ich hoffe auf alle Fälle, dass diese gut ihren Weg fortsetzen konnte.

Insgesamt gefiel mir Athen wesentlich besser als bei meinem ersten Besuch, bei dem wir in der elften Klasse mit meiner gesamten Jahrgangsstufe einen Tag in Athen verbracht haben. Alle Griechen, mit denen wir an diesem Tag ins Gespräch kamen, waren ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Das einzig Störende war, dass aufgrund des permanenten Staus sowohl in Athen als auch in Piräus viel Zeit durch lange Aufenthalte im Bus, „vergeudet“ wurde, so dass wir insgesamt an diesem Tag fast drei Stunden in Bussen verbringen mussten.

Zudem war ich sehr überrascht zu sehen, dass alle, welche bereits genügend antike Ausgrabungsstätten und Altstädte gesehen haben, selbst in Griechenlands Hauptstadt problemlos mit einer weiteren Linie von „Sights of Athens“ relativ schnell von der Umsteigestation vor der Akropolis zu diversen, offensichtlich sehr schönen Stränden, ganz in der Nähe von Athen, gelangen können. Außerdem können wirklich jedem empfehlen beim Auslaufen von Piräus Abendstunden zu wählen, wenn man den beeindruckend beleuchteten Industriehafen von Piräus genießen kann.

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