Zugstrapazen, Zadar, Zusammenkunft, Zigarettenqualmgestank, Zunahme

Als wir zitternd vor Kälte gegen 0.20 Uhr – über 25 Minuten verspätet – unser Gepäck in den Zug gewuchtet hatten, löste sich eine meiner Sorgen relativ rasch in Wohlgefallen auf während sich ganz andere – schier unlösbare – Probleme auftaten. Wir hatten das enge Schlafwagenabteil gerade betreten, da rief unser Ältester bereits laut aus, was mir gleichzeitig in den Sinn kam: „Also, da oben schlafe ich auf gar keinen Fall!!“

Er zeigte mit spitzem Finger auf das oberste der drei ausgesprochen schmalen Betten übereinander. Als ich auf einer Leiter, die mit Sicherheit mehr Jahre als ich auf dem Buckel hatte, auf das mittlere Bett klettern wollte, löste sich diese plötzlich aus der Halterung und es hätte nicht viel zu einem dramatischen Sturz gefehlt. Während wir unsere voluminösen Koffer – ein ganzer unserer vier Koffer enthält ausschließlich das Diabetesequipment für die Zwillinge für die gesamte Reise in Form von 40 Infusionssets, 10 Blutzuckersensoren, 10 Insulinampullen (für deren Kühlung ich jederzeit sorgen muss) und vielem mehr – entgegen meiner Befürchtung im hinteren Teil des Schlafwagenabteils übereinander gestapelt verstauen konnten, erschien es unmöglich, den dringend benötigten Rausfallschutz wenigstens für das mittlere Bett aufzuspannen.

Als ich leicht verzweifelt, war es doch mittlerweile bereits 1.00 Uhr nachts und die Söhne konnten kaum mehr ihre Augen offenhalten, den erstbesten Bahnmitarbeiter, den ich entdecken konnte, um Hilfe bat, verstand dieser weder Deutsch noch Italienisch und gab mir durch wenige englische Brocken zu verstehen, dass ich auf einen anderen Bahnschaffner warten müsse.

Als ich diesen nach einer gefühlten Ewigkeit endlich aufgespürt hatte, war jener höchst unwillig, uns beim Zusammenbauen des Bettschutzes zu helfen. Nach wenigen Minuten hatten wir den Eindruck, dass er dies zum ersten Mal in seinem Leben probierte und dabei noch dilettantischer als wir vorging. Sichtlich genervt knotete er schließlich ohne großen Erfolg verschiedene Gurte, welche offensichtlich nicht füreinander bestimmt waren, missmutig zusammen.

Diese Aktion hatte die nächtliche Sicherheit in keiner Weise erhöht, so dass sich die Jungs -ausnahmsweise einmütig – darauf geeinigt hatten, trotz der sehr schmalen Matratze mit dem mittleren Bett nebeneinander gekuschelt vorlieb zu nehmen. Für mich war aus mehreren Gründen nicht an Schlaf zu denken……. Zum einen hatten die Zwillinge tagsüber relativ hohe Blutzuckerwerte gehabt, so dass die Pumpe in der Zwischenzeit so viel Insulin nachgeschossen hatte, dass nun immer wieder Unterzuckeralarme zu vernehmen waren, zum anderen fürchtete ich ununterbrochen, dass die Jungs bei einer falschen Bewegung aus dem Bett stürzen konnten. Die restliche Zeit vertrieb ich mich mir mit einer erneuten Schaffnersuche, hatte ich es doch „geschafft“, mich bereits nach dem ersten Toilettengang aus unserem Abteil auszusperren.

Immerhin schliefen die Jungs vier Stunden, bevor ich sie schweren Herzens zu sehr unchristlicher Zeit wecken musste. Nachdem der Schaffner immerhin so liebenswürdig war und für das wenige Stunden zuvor bestellte glutenfreie Brot zum Sonnenaufgangsfrühstück durch den gesamten Zug geeilt war, verließen wir schon wieder den Nachtzug in Udine und erlebten ein Déjà-vu der vergangenen Sommerferien in Paris: Unzählige Treppen, dank der Unmenge an (Kinder-)büchern und Reiseführern gigantisch schwere Koffer und weit und breit keine Rolltreppen oder gar ein Lift.

Einzig durch deine lieben Worte und Zuginformationen im Vorfeld, lieber Johannes, war ich nicht allzu beunruhigt, als wir nur noch die Schlusslichter unseres eigentlich anvisierten Anschlusszuges nach Triest einige Gleise weiter erblickten, wussten wir doch dank dir, dass alle 20 -30 Minuten ein Regionalzug von Udine nach Triest aufbricht. Nachdem uns die dortige Schaffnerin in die italienischen Regularien der Bahnbenützung eingewiesen hatte –so genügt es nicht mehr, ein gültiges Bahnticket mit sich zu führen, man muss sich mittlerweile digital einchecken, was zwingend vor dem Antritt der Bahnfahrt erfolgen muss und seine Tücken birgt, wenn man z.B. wie wir zu diesem Zeitpunkt kein Netz hat – holte der Ältere noch ein wenig des verpassten Nachtschlafs nach.

Das Triester Wetter hatte sich den deutschen Verhältnissen unseres Abreisetages angepasst: es schüttete. Dennoch beschlossen wir die Strecke von etwa einem Kilometer vom Triester Hauptbahnhof bis zu unserem Schiff im sehr zentral gelegenen Hafen zu Fuß zurücklegen. Dies erwies sich – nicht zuletzt wegen meiner starken Dauerfußschmerzen und dem ziemlich unhandlichen Gepäcke– als signifikant anstrengender als erhofft. Nach dem erneuten Ausstellen einer Bordkarte für mich – in all der Hektik beim Check- in (wir hatten mal wieder ein kleines Messerproblem, schleppe ich doch stets als glutenfreies Notfallessen für unseren Zöli Maiswaffeln mit einem Glas Erdnussmus mit mir rum, für dessen Entnahme ich immer ein Brotzeitmesser dabeihabe..) ist mir völlig übernächtigt die kurz zuvor ausgehändigte Karte unwiderruflich abhandengekommen – erkundeten wir das Schiff, das dieses Mal eine Kapazität für deutlich weniger Passagiere aufwies und auf den ersten Blick die Jungs enttäuschte, gab es weder große Pools zum Schwimmen noch ein großflächiges Fußballfeld.

Ich hatte die nur sehr oberflächlich gesaugten Teppichböden zu beanstanden (habe dies aber keinem gemeldet, da mir die Putzkräfte sowieso schon leidtun) auf denen man – auch ohne eine von mir eigentlich seit Jahren benötigte Brille – diverse Haut-, Nagel- und Haarreste der Vorgängerfamilie fand. Außerdem waren die Betten deutlich unbequemer als im letzten Jahr. Etwas versöhnt mit der Schiffsklasse wurden die Jungs, als uns nach der Erkundigung bei der Rezeption die Existenz einer von uns schon mühsam gesuchten  Tischtennisplatte zugesichert wurde, für welche sie sich stante pede Schläger ausliehen.

Nach einem kurzen Stadtrundgang in Triest ertönte das „sail away“- Lied gegen 19.00 Uhr. Unsere armen Jungs, welche mit einer Lateinlehrerin als Mutter geschlagen sind, kamen selbstverständlich nicht umhin, trotz großen Schlafmangels in Triest nicht nur die Piazza dell’Unità d’Italia, den größten Platz der Stadtmitte mit der Säule des österreichischen Kaisers Karl VI. und dem Brunnen der vier Kontinente sowie die serbisch-orthodoxe Kirche Santa Trinità e San Spiridione zu besichtigen, sondern mussten sich auch noch mit ihrer vollkommen orientierungslosen Mutter durch viele Triester Straßen auf der Suche nach dem Teatro Romano kämpfen.

Auf unseren Irrwegen kamen wir immerhin noch am Canale Grande und der Kathedrale San Giusto vorbei, bevor wir nach Zickzacktouren endlich die Überreste des Teatro Romano fanden. Kurz nach dem Ablegen sahen wir aus nächster Nähe die mit 400 Millionen teuerste Segelyacht der Welt mit dem Namen „Alpha“, die einem russischem Oligarchen gehört und deren erzwungene bereits zweijährige Ruhepause den italienischen Staat Unsummen kostet. Und dabei finde zumindest ich die Yacht nicht besonders spektakulär oder ästhetisch ansprechend.

In der Nacht begleitete uns das beruhigende, gleichmäßige Rauschen der an das Schiff schlagenden Wellen. Leider zog auch ein ausgesprochen impertinenter Zigarettenqualmgestank konstant in unsere Kabine.

Am nächsten Tag erwartete uns eines der Highlights unserer Reise in Zadar: Wir wurden von einer sehr lieben Freundin, welche für drei Wochen mit ihrer Familie ihren Urlaub unweit von Zadar verbringt, in einem luxuriösen Auto – die Jungs waren völlig begeistert von der Klimaanlage und den autonomen Fahrkünsten, bietet ihnen unser 20-jährige VW-bus doch weder das eine noch das andere – direkt vom Hafen abgeholt und zu ihrem Ferienhaus gefahren.

Es bedeutet mir wirklich sehr viel, liebe Birgit, dass ich endlich in natura viele der Örtlichkeiten, von denen du mir seit Jahren vorschwärmst, erleben durfte. Dein geliebter Ausblick auf das so pittoreske Meer, euer Lieblingsrestaurant und den heilenden, jedoch stinkenden Schwefelschlamm bekamen wir ebenso zu Gesicht wie die kleinste Kathedrale der Welt, welche auf einem Hügel etwas außerhalb von Nin steht sowie eine 1500-jährige Saline, welche noch heute ganz traditionell Salz gewinnt und wir unser dort erstandenes fleur de sel und die wohlduftenden Salzseifen aus Platzmangel sogar eurem lieben Autotransport überlassen durften.

Da wir leider nur einen sehr kurzen Aufenthalt in Zadar hatten, mussten wir uns bereits gegen 14.00 Uhr wieder von eurem wirklich so bezaubernden Urlaubsort in Privlaka verabschieden. Liebe Birgit, lieber Christian, auch auf diesem Wege möchten wir euch noch einmal von ganzem Herzen für eure wunderbare Gastfreundschaft, das leckere Essen – so süße Feigen direkt vom Baum, habe ich noch nie gegessen – sowie das SUP-fahren (was selbstverständlich nicht ohne Streitereien zwischen der Zwillinge vonstattenging) und die so rührenden Chauffeusefahrten bedanken!

Schaffe ich es hervorragend, den von einigen in unserem Freundeskreis gefürchteten Menschenmassen zu entgehen – ziehe ich den abendlichen Showveranstaltungen doch immer die eigene Kabine vor, in der ich sogar abends/Nachts, wenn die Jungs nach jeweils sehr langen Tagen, zur späten Stunde eingeschlafen sind, schon teilweise den Unterricht für das kommende Schuljahr vorbereite (und das aus mangelndem zweiten Zimmer zusammengekauert auf dem Boden unseres kleinen Badezimmers…), gelingt es mir in keiner Weise, Zurückhaltung bei dem so vielfältigem und quasi ständig verfügbarem Essensangebot zu üben.

Auch wenn ich leider wirklich nie Urlaub von dem unentwegtem Abwiegen und Berechnen der Kohlehydratmenge jeder einzelnen Speise, welche die Jungs zu sich nehmen, habe, wird mein täglicher Kalorienbedarf wohl bereits nach dem Frühstück mehr als doppelt gedeckt sein, habe ich doch, um für unseren Zöli eine absolute Kontaminationsfreiheit auch beim Frühstück zu vermeiden, ein tägliches Frühstück im Bedienrestaurant dazu gebucht, in dem man in den Tag mit allem, was das Herz begehrt, starten kann, von (glutenfreien) Pancakes über meine geliebten Rohkoststicks mit diversen Dips über jeweilige Tagesspezialitäten wie Matjes-Apfel-, Garnelensalat oder auch bestimmte Omelettearten bis hin zu allerlei süßen Gebäcken und selbstverständlich auch frisch aufgebackenen glutenfreien Semmeln.

Die glutenhaltigen Varianten werden übrigens aus Platzgründen nicht etwa als eingefrorene Teiglinge täglich aufgebacken, sondern in der hauseigenen Bäckerei regelmäßig selbst gebacken. So ist in vielerlei Hinsicht eine beträchtliche Zunahme an Gewicht absolut unausweichlich.

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