Probelesen, Präteritum, Planlosigkeit

Nach einem stressigen Schultag – an dem ich in jeder meiner Klassen (leider häufig erfolgslos) die Rückgabe der von mir bereits vor Wochen korrigierten Schulaufgaben einforderte – war ich nach Hause geeilt, um große Mengen von dem von den Kindern heiß geliebtem Kartoffeltopf hastig zu kochen. Als die Jungs in Windeseile bereits die Teller restlos leer gegessen hatten und ich es immerhin geschafft hatte, einige Bissen des Mittagessens herunterzuschlingen, stürzten die Zwillinge mit ihren Schulheften bereits zielstrebig zum Wohnzimmerboden, um dort ihre Hausaufgaben zu erledigen.

Vergeblich rede ich seit mittlerweile Jahren an sie hin, dass sie doch bitte ihren Schreibtisch oder wenigstens den Wohnzimmertisch nutzen sollen…Mehr oder weniger genüsslich kauend vernehme ich mit halbem Ohr von unserem Älteren prompt die folgende Frage: „Mama, was ist das denn für ein Tier, E-C-H-S-E?“ Nachdem er von mir einen kurzen Überblick über die gängigsten Echsenarten erhalten hatte, folgte sofort die nächste Frage: „Und Mama, stimmt der Satz so: „Ein Lachs muss keine Unterhosen wechseln?““

Leicht genervt, dass ich so überhaupt nicht in Ruhe die Mittagsmahlzeit einnehmen kann, rufe ich ihm etwas mokiert zu: „Das stimmt mit Sicherheit nicht.“ Und muss mich kurz darauf unverzüglich entschuldigen, als auch ich bei der Einsetzübung zu keiner anderen plausibleren Lösung gelange als in dem betreffenden Satz das angegebene Wortpaar „Lachs/wechseln“ einzusetzen.

Sicherlich – grammatikalisch ist dieser Satz vollkommen korrekt, aber er entbehrt jeglicher Plausibilität. Man hätte doch zu diesem Thema wesentlich sinnvollere Sätze finden können, um die Buchstabenkombination und -aussprache von „-chs“ einzuüben… Der jandorfverlag hatte da wohl nicht so konzentrierte, kompetente und kritische Korrekturleser (das ist doch auch mal wieder eine wunderbare Alliteration…) an der Hand wie der bekannte und ganz bei uns in der Nähe ansässige Hauschkaverlag, bei dem sich unsere Zwillingssöhne zu ihrer großen Freude einige Euro dazuverdienen konnten, indem sie neu entworfene Deutschübungen auf ihre Machbarkeit und Lehrplankonformität der dritten Klasse bearbeiteten und überprüften.

So lobenswert konzentriert und kontinuierlich sie ihrer Prüfpflichten nachgingen und unter anderem die unterschiedlichsten Aufgaben zum Präteritum und Perfekt durcharbeiteten, so verlief allein schon der Hinweg zum nur wenige Kilometer von unserem Zuhause entfernten Verlag. Ich hatte bereits seit 10 Minuten immer nervöser zum Aufbruch gedrängt, als das Fahrradschloss der Jungs unauffindbar erschien und unser Ältester sogar breitbeinig in der Garage stehend Stein und Bein schwor: „Also, ich hatte noch nie ein Radlschloss.“ Aufbrausend stürmte ich den beiden in die Garage nach, erspähte das gesuchte Objekt und fuhr laut schimpfend los. „He, überhol mich nicht.“ krakelte da schon nach wenigen Metern Fahrtweg der Jüngere. Die Jungs stehen häufig selbst bei einer solch banalen Radfahrt in ständiger Konkurrenz zueinander und es ist tatsächlich keine harmonische Fahrt möglich.

Wie stellte ich mir insgeheim das Ideal einer derartigen Tour vor, bei der man das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden kann und aus der kurzen Fahrt durch anregende Gespräche eine wirkliche Quality time verbringen könnte, was in unserem Fall leider weit gefehlt war. Auch die Hoffnung eines zeitgleichen gemeinsam erreichten Zielpunktes musste ich rasch fahren lassen.

Während der Ältere sich auf dem Fahrtweg bei jeder zweiten Abbiegemöglichkeit konsequent für die falsche entschieden hatte, war er nun immerhin zusammen mit mir am Verlag angekommen. Aber wo war unser Jüngster abgeblieben? Selbst auf der nur zehnminütigen Fahrt war es mir, der es üblicherweise mühelos gelingt, 30 Schülerinnen und Schüler, von einem Wandertag gesund und vollzählig wieder nach Hause zu bringen, nicht gelungen, dass beide Söhne zeitgleich ankamen. Fluchend begann ich die Strecke wieder zurückzufahren, als der verlorene Sohn plötzlich wieder auftauchte.

Auch der späte Nachmittag und Abend hatte noch zahlreiche Stolpersteine zu bieten. Zu später Stunde dachte ich mir, dass wohl statt des Übungssatzes „Ein Lachs muss keine Unterhosen wechseln.“ z.B. folgende Aussage „Wir wachsen ohne Flachs an den alltäglichsten Aufgaben.“ immer noch sinnvoller und zutreffender als der im Arbeitsheft angegebene Satz wäre. So oder so ähnlich zumindestens…

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