Trondheim ist die drittgrößte Stadt Norwegens und gefiel uns sogar noch deutlich besser als Bergen (zweitgrößte Stadt), was aber auch einfach der Tatsache geschuldet sein kann, dass unser Jüngerer nun glücklicherweise wieder deutlich gesünder ist. Wann immer man zusammen auf Reisen geht, braucht es Kompromisse. Mein erstes Zugeständnis dieses Tages war es, dass wir erst 2,5 Stunden nach dem morgendlichen Festlegen am Hafen das Schiff verließen, um die Besichtigungsrunde nicht zu groß werden zu lassen.
Kaum hatten wir schließlich das Schiff verlassen – mein Rucksack war gewohnt sehr schwer mit zig Wasserflaschen und viel Essen, Reiseführern, doppeltem Diabetesequipment und einigem anderen beladen -, war schon unser Älterer abgängig. Während sich sein Bruder lustlos neben mir herumdrückte, gab es für unseren großen Bootsliebhaber kein Halten mehr, so dass er auf direktem Weg zum Yachthafen gestürmt war. (Liebe Katinka, du siehst, dass wir auch im Urlaub ganz fest an dich denken und schicken euch die allerherzlichsten Grüße nach Aachen mit einem Boot namens Katinka…)
Ich versuchte mir einen ersten Überblick über die Stadt zu verschaffen und musste beim Aufsehen vom Reiseführer erschrocken feststellen, dass er spurlos verschwunden war. Auf derartige Suchaktionen verschwenden wir leider immer so viel unnötige Energie, welche bei den anschließenden Besichtigungen unwiederbringlich geraubt ist.
Einzig beruhigend kann ein Blick auf die einen umgebenden Touristenfamilien sein, bei denen es oft auch nicht besser läuft. Da stehen Teenagertöchter und – söhne direkt vor den pittoresken Speicherstadthäusern und starren wechselweise auf ihr Handy oder schauen extrem mürrisch.
Da brüllen Kleinkinder und wollen schon nach wenigen Minuten nach Verlassen des Schiffs partout keinen Meter mehr weiter gehen. Und da streiten sich Ehepaare verbissen, was – oder ob überhaupt – denn zuerst zu besichtigen sei. Insgesamt stellen wir in jedem Ort, an dem wir bis jetzt in Norwegen waren, immer wieder freudig fest, wie freundlich die Norweger sind.
Liebe Bettina, liebe Mama, ich suche wirklich seit dem ersten Hafen Postkarten für euch, aber die Sache ist alles andere als einfach. Als heute ein Norweger im Stadtzentrum hörte, wie ich den Zwillingen sagte: „Nein, wir können noch nicht zurück zum Schiff, wir müssen endlich Ansichtskarten finden.“, meldete sich gleich ein vom Motorrad absteigender Norweger in fast akzentfreiem Deutsch zu Wort mit folgenden Worten an uns und betrübte uns mit der Aussage: „Wir sind schon fertig mit Karten in Norwegen.“
Auch wenn offenbar so gut wie jede/r ihre/seine Urlaubsgrüße nur noch digital verschickt, werden wir in unseren zwei Abschlusshäfen unverdrossen weiter auf die Suche danach gehen. Zudem strahlen die Norweger eine große Lebensfreude aus. Auf dem Markt Torvet interessierten sich die wenigsten für das Denkmal vom Stadtgründer Olav Tryggvason, dafür bildete sich ein spontaner Flashmob, als plötzlich aus einer Musikbox für die Norweger offenbar sehr bekannte Songs ertönten.
Die Jungs vergnügten sich derweil am bzw. im zentralen Brunnen. Überflüssig zu erwähnen, dass ich noch nicht einmal die Hälfte meines ermahnenden Satzes ausgesprochen hatte, als die Socken des Jüngeren bereits triefnass waren.
Und das, wo er leider jede Nacht gefühlt mehr hustet als schläft. Was eine Attraktion ist, liegt bekanntlich immer im Auge des Betrachters. Als unser Älterer feststellte: „Wenn wir das nicht gesehen hätte, hätten wir echt etwas verpasst!“, schwärmte er nicht etwa von Stiftsgǻrden (königliche Residenz und der größte aus Holz gebaute Palast Skandinaviens)
oder auch von der „Gamle Bybro“ (einer ehemaligen Zugbrücke über den Fluss Nidelv), sondern er war vielmehr so angetan von der kostenlosen Verteilaktion zahlreicher eisgekühlter Pepsidosen, welche immerhin gluten- und zuckerfrei waren..
Mit so viel Koffein im Blut gelangten wir schließlich zu Skandinaviens bedeutendstem mittelalterlichen Sakralbau, dem Nidarosdom, der noch heute das geistliche Zentrum Norwegens darstellt.
Auf dem Weg dorthin begegneten uns zahlreiche Hochzeitsgesellschaften.
An diesem Samstag mit strahlend blauem Himmel standen wohl all die Trauungen unter einem besonders guten Stern. Und wir hatten bei der Ankunft im Dom großes Glück, da wir just zu der Mittagsmeditation eintrudelten.
Während dieser halben Stunde ist es zwar verboten, im Dom herumzugehen, aber dafür durften wir ein grandioses Orgelkonzert mit abschließendem geistlichem Segen auf norwegisch und englisch erleben.
Trotz der heißen Temperaturen und den leider täglichen starken Fuß- und Sprunggelenksschmerzen meinerseits ließen wir es uns nicht nehmen, über die Gamle Brybo, vorbei an dem ersten Fahrradlift der Welt – der Sykkelheisen Trampe) – zur Festung Kristiansten zu laufen. Von dort aus hat man einen spektakulären Blick auf den Trondheimfjord auf der einen, und auf die bunten Holzhäuser auf der anderen Seite.
Die Speicherhäuser, deren traditionelle Bauweise auf Holzpfählen bereits eine tausendjährige Geschichte aufzuweisen hat, und welche mittlerweile eines der am meist fotografierten Sehenswürdigkeiten von Trondheim darstellen, durften selbstverständlich auf unserem Rückweg ebenso wenig fehlen wie das Denkmal des letzten Wikinger sowie die alte hölzerne Ravnkloa-uhr, bevor wir uns wieder in Richtung Schiff aufmachten.
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