Wäre heute nicht unser letzter Aachentag gewesen, hätte ich den dringend benötigten Schlaf, der mir in der heutigen Nacht nicht vergönnt war, liebend gerne tagsüber nachgeholt. Eine bis drei nächtliche Störungen aufgrund des Diabetes sind bei den beiden Jungs nicht erwähnungsbedürftig, aber in der heutigen Nacht bin ich mindestens zehnmal wegen der unterschiedlichsten Pumpenalarme bei den Zwillingen aufgestanden.
Dabei sind solch unnötigen Alarme wie „Warnung vor bald niedrig“ oder auch „ein hoher Blutzuckerwert wurde vor einer Stunde gemessen“, etc. besonders ärgerlich. Nachts um 3.00 Uhr habe ich dann noch einen neuen Insulinpumpenkatheter bei unserem Älteren gestochen, ein neues Reservoir mit Insulin füllen müssen und einiges weiteres, so dass ich diese chronische Stoffwechselerkrankung wirklich verflucht habe.
So konnte ich in aller Früh gar nicht genug cappuccini zu mir nehmen. Die sehr liebe Frühstücksbedienung, welche unserem Zöli immer sofort frisch aufgebackene glutenfreie Brötchen serviert, sah meine nicht zu übersehenden großen Augenringe aufgrund des extremen Schlafmangels und munterte mich nicht nur sehr liebevoll auf, sondern empfahl uns auch inbrünstig ihre Heimat als eine der nächsten Reiseziele. Sie schwärmte in den höchsten Tönen von Rumänien und dabei besonders von der Gegend, aus der sie stammt, dem sogenannten Complex Borsa, so dass sie uns gleich ihre Kontaktdaten gab und uns herrliche Ferienhäuser ihrer Verwandten empfahl…
Während jedem Frühstück stehe ich ja unzählige Mal auf, um runtergefallenes Besteck zu ersetzen, Sonderwünsche der Jungs zu organisieren- so z.B. auch meine heutige mehrfache Bitte um den bevorzugten veganen Aufstrich unseres Jüngsten. Und obwohl ich mir bereits beim Platznehmen der Kopfstoßgefahr an den viel zu niedrig hängenden Lampen bewusst bin, erleben die Kinder und die anderen Hotelgäste bei mir jeden Morgen auf das Neue Dinner for one -momente.
So erhob ich mich relativ am Ende unseres Frühstücks noch einmal, zog nicht nur meinen Bauch, der gefühlt aufgrund all der verzehrten Fritten und dem hochkalorischen täglichen Frühstück wahrscheinlich schon um etliche Zentimeter an Umfang dazugewonnen hat, sondern auch den Kopf sofort ein, um dann, als ich den Söhnen noch eilig mehr Rohkost holen wollte – verpasst man dafür den Kairos, verschmähen sie nämlich diese Rohkost vollkommen – mit so großer Wucht an die schwere Lampe stieß, dass ich noch Stunden danach Kopfschmerzen hatte.
Nach dem Frühstück profitierten wir von Aachens Nähe zu den Niederlanden und fuhren mit dem Bus vom Elisenbrunnen in die bereits von den Römern gegründete Stadt Mosae Traiectum, heutzutage besser als Maastricht bekannt. Dank des so ausführlichen Reiseführers über die Niederlande aus dem Michael Müller Verlag hatten wir bereits im Vorfeld gelernt, dass die Niederlande aus 12 Provinzen besteht. Dabei liegt Maastricht mit seinen etwa halb so vielen Einwohnern wie Aachen (circa 125.000 Einwohner) in der Provinz Limburg.
Nachdem wir schwer bepackt zum Fahrkartenautomaten und anschließend zum Bus gehetzt waren, wollte der Busfahrer uns erst unbedingt zum Nachzahlen eines höheren Betrags nötigen, bis er endlich begriff, dass wir das ganz gültige Ticket erworben haben, mit dem man für unschlagbare 21,70 Euro den ganzen Tag in der Grenzregion öffentlich Verkehrsmittel fahren kann und sogar noch zwei Kinder unter 12 Jahren auf dieser Karte mitnehmen darf.
Allerdings ist dieser Bus nichts für Eilige. Liegen zwischen Aachen und Maastricht nur 30 Kilometer, benötigten wir 75 Minuten, fährt der Bus doch alle 60 bis 90 Sekunden eine Bushaltestation an. Nieselregen empfing uns bereits in Maastricht, aber auch das erste Wahrzeichen, von dem es im Reiseführer vom Michael Müller Verlag auf der Seite 511 so treffend heißt: „Der Kunsttempel (=Bonnefantenmuseum) mit seinem zinkverkleideten 28 m hohen Kuppelturm an der Maas ist eines der Wahrzeichen der Stadt.“
Ich hatte diese Stadt für eine Besichtigung unter anderem wegen der Flusslage gewählt, lieben doch die Jungs alles, was mit dem Waser zu tun hat. Nach meinen Informationen wurden Rundfahrten auf der Maas zu dieser Jahreszeit ausschließlich am Wochenende angeboten, aber ich ließ es auf einen Versuch ankommen und ging mit den beiden rasch zu der Maaspromenade.
Und wir wurden tatsächlich belohnt, als wir erfuhren, dass es seit zwei Tagen auch unter der Woche das Angebot von Rundfahrten gibt. So kamen wir in den Genuss, nicht nur unter der ältesten Brücke der gesamten Niederlande durchzufahren, sondern unterbrachen unsere Maasfahrt nach 25 Minuten, um im strömendem Regen zu den Grotten Sint Pietersberg zu stiefeln.
Auch diesen hat der Reiseführer viele Zeilen gewidmet und so ist z.B. auf der Seite 512 zu lesen: „Die berühmten Maastrichter Mergelgrotten, die seit dem 16. Jh. ausgehöhlt werden, entstanden durch den Abbau des kostbaren Gesteins, das beispielsweise für den Bau des Kölner Doms eingesetzt wurde.“ Es gab leider nur eine niederländische sowie eine englische Führung durch diese Grotten, so dass wir uns für die englische Variante entschieden, bei der ich den Jungs alles Wichtige mehr oder weniger synchron übersetzte.
Bereits zu Beginn der Führung ergriff mich ein wenig die Panik, als mir zunächst ein netter Aachener Großvater mit seinen beiden Enkelkindern zuraunte: „Die haben über Jahrhunderte so viel von diesem Mergelstein abgetragen, wer weiß, ob das die Statik nicht beeinflusst?“ Und noch mehr Angst bekam ich, als wir bereits tief in den insgesamt 230 km langen Stollen unter der Erde angelangt waren und uns unser Führer plötzlich fragte, was wir machen würden, wenn er plötzlich einen Herzinfarkt bekäme, da wir ja ohne ihn auf keinen Fall den Weg nach draußen finden würden…
Die bedrückendste Minute empfand ich, als alle Taschenlampen und Gaslaternen ausgeschaltet wurden, um uns zu demonstrieren, dass es in diesem unterirdischen Labyrinth tatsächlich keinen einzigen noch so kleinen Lichtstrahl gibt, so dass wir von einer rabenschwarzen Dunkelheit ergriffen wurden, bei der man rasch halluzinieren könnte.
Der Führer, welcher uns erklärte, dass er eine mehrmonatige Ausbildung hierfür durchlaufen hat und über Monate hinweg jeden Tag stundenlang die Orientierung in den Grotten einstudiert hat, zeigte uns mehrere Wandmalereien, einige datieren wirklich bereits aus dem 16. Jahrhundert. Zudem zeigte er uns die Stelle, an welcher Wissenschaftler einen 15 Meter langen Mosasaurus gefunden haben.
Während des zweiten Weltkrieges dienten die Grotten als Schutzraum. Unser guide war so begeistert in seinem Element, dass er uns deutlich länger als angegeben durch die unterschiedlichsten Gänge führte, so dass ich immer mehr fürchtete, das Schiff zurück zu verpassen.
Nachdem wir bereits in etwa die Hälfte der Stollen auf sehr unebenem Boden passiert hatten und meine Fußschmerzen immer noch stärker wurden, hatte ich das Gefühl, bald gar keinen Schritt mehr vor lauter brennenden Schmerzen gehen zu können und schleppte mich sowie unsere schweren Rucksäcke zum Bootssteg. Wir erreichten pünktlichst das Schiff und suchten laut Guardian die schönste Buchhandlung der Welt, den Boekhandel Dominicanen auf, welcher sich in einer ehemaligen Kirche befindet auf.
Anschließend schlenderten wir noch an diversen weiteren Sehenswürdigkeiten wie dem Markt, dem Vrijthof, der Sint Servaasbasiliek und dem Stadhuis vorbei, ehe wir zum Bahnhof hetzten.
Dort erfuhren wir leider, dass unser anvisierter Zug zurück nach Aachen ersatzlos aufgrund von Personalmangel ausfällt und bereits im niederländischen Vaals endet.
So liefen wir wieder zurück zu unserem Bummelbus und die Jungs freuten sich sehr, dass ich mein Versprechen hielt und ihnen aus dem neuesten des drei ???-Buch, das ich den ganzen Tag mitgeschleppt hatte, vorlas, nicht nur während der Wartezeit, sondern auch, als der Bus bereits fuhr, bis mir immer übler wurde. Lesen im Bus oder Auto war leider noch nie das meinige…
Unseren Abschiedsabend – erschreckend, wie schnell so eine Woche dahinfliegt… – verbrachten wir in einem der Lieblingsrestaurants der Jungs, dem „Louisana“, in dem alle Gerichte hervorragend bezüglich der Allergene deklariert sind und die Jungs ihrer Spareribs- und Frittenliebe noch ein letztes Mal frönen durften…
Liebe Katinka, lieber Claus, ganz herzlichen Dank für alles. Es war wunderbar mit euch! Und ich bin wirklich ausgesprochen dankbar, euch als Verwandtschaft haben zu dürfen. Es war sehr berührend, viele Geschichten, auch von meinem Vater und der gesamten Kölner Familie zu hören. Und nun, liebe Katinka, weiß ich ja auch endlich, von wem ich die Liebe zum Kochen bereits als kleines Mädchen mitbekommen habe….Bis ganz bald hoffentlich in München, in Aachen oder auch an allen anderen schönen Orten.
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