Von Zingst zur Insel Hiddensee per dreistündiger Schifffahrt
Das Capri von Pommern war unser heutiges Ziel und obwohl ich deshalb noch viel früher als sonst aufgestanden bin, gerieten die letzten Minuten wie üblich zum Zeitstress und wir schafften es gerade noch rechtzeitig zum Hafen von Zingst zu radeln. Dort luden wir auch die Räder auf das Schiff – kein ganz preiswertes Vergnügen – aber es lohnt sich.
Auf der dreistündigen Fahrt sahen wir neben Wildschweinen und viel Dammwild, die auf kleinen unbewohnten Inseln auf der Ostsee weideten, auch Höckerschwäne und inmitten der weißen Pracht einen schwarzen Fleck, der eigentlich in Australien beheimatet ist, den Trauerschwan. Man vermutet, dass er höchstwahrscheinlich aus privatem Besitz hier ausgesetzt wurde…
Die Insel Hiddensee ist eine autofreie Insel mit etwa 1000 Einwohnern, für die bis zu 3000 Übernachtungsgäste stehen an allen drei Häfen diese Bollerwägen bereit, damit das Urlaubsgepäck in die Unterkunft transportiert werden kann.
Wir waren sehr dankbar, dass wir unsere Räder auf das Schiff mitgenommen hatten, so dass wir gleich mit unserer Tour starten konnten.
Die Zöliakie bietet indirekt auch manche Vorteile. So kamen wir in keiner Weise in Versuchung, vom rechten Weg abzukommen und in einem der zahlreichen Cafés köstlich aussehende Torten, Waffeln mit Sanddorn oder andere Spezialitäten verkosten zu wollen, sondern sind schnurstracks vom südlichsten Ende der Insel Hiddensee, an dem unser Schiff angelegt hat, in Neuendorf über die Inselhauptstadt Vitte zu dem fast nördlichsten Ort, Kloster, geradelt.
In Vitte bewunderten wir das meistfotografierte Haus der ganzen Insel, die blaue Scheune…
… bevor wir in Kloster die Sommerresidenz des berühmten Dramatiker und Literaturnobelpreisträgers Gerhard Hauptmann besichtigten.
Von Kloster ging es einen ziemlich steilen und holprigen Weg nach oben zum Dornbusch, wo das Wahrzeichen der Insel Hiddensee, der 28 Meter hohe Leuchtturm, steht, dessen Schönheit wir nur erahnen konnten, da er leider wegen Instandsetzungsarbeiten komplett christomäßig ummantelt war.
Als unser Älterer kurz vor der holprigen und steilen Abfahrt plötzlich mit seinem Bruder das Rad tauschen wollte, dachte ich mir nichts dabei, bis dieser meinte: “Nein, das will ich nicht. Bei dir ist die Bremse kaputt.”
Dies sind immer die Momente, in denen mir kurz das Herz stehen bleibt, bin ich doch fahrradtechnisch so vollkommen unversiert und malte mir schon vor meinem geistigen Auge aus, welche Folgen die kaputte Bremse bei der rasanten Abfahrt haben könnte…
Glücklicherweise erwies sich neben der kaputten rechten Handbremse immerhin die linke noch als funktionstüchtig. Dennoch habe ich kein gutes Gefühl dabei, so dass wir übermorgen als erstes eine Radlwerkstatt hier im Ort aufsuchen werden…
Dank keinerlei Einkehr schafften wir es innerhalb der vier Stunden, die wir auf Hiddensee zur Verfügung hatten, die etwa 18 km lange Insel in großen Teilen von Süden nach Norden abzufahren, so dass wir keine Pferdekutschen benutzten, denen wir aber oft begegneten.
In Kloster besichtigten wir die Inselkirche mit ihrer herrlichen Rosendecke…
Immer wieder stießen wir auf diese besonderen Zeichen neben den Hausnummern…
…und erfuhren, dass es sich dabei um runenartike Hausmarken handelt, mit denen die Familien ihren Besitz kennzeichneten, als Lesen und Schreiben noch weitgehend unbekannt waren.
Eine Attraktion der anderen Art war bei unserer Rückfahrt das plötzliche Landen eines Rettungshubschraubers in Vitte. Glücklicherweise schien nichts so Schlimmes passiert zu sein, die Rettungssanitäter scherzten die ganze Zeit. Aber für die Jungs war es natürlich hochinteressant, aus solch unmittelbarer Nähe einen Hubschrauber starten und landen zu sehen.
Insgesamt verbrachten wir bei unserem heutigen 11-Stunden-Tagesausflug mehr Zeit auf dem Schiff als auf der Insel, was unserem Älteren, dem Schiffsliebhaber, große Freude bereitete, während ich den Jüngeren quasi toujours zu beschäftigen hatte. Ich ärgerte mich sehr, dass ich keines der bei den Zwillingen sehr beliebten Quartettkartenspiele eingepackt hatte und spielte so mit den Jungs fast durchgehend Klassiker wie “Ich packe meinen Koffer” oder “Stadt, Land, Fluss”, was mich ohne nennenswerte Pause irgendwann wirklich anstrengte und ermüdete…
Was allen Segelbootfahrern – für die der 3.6. ein besonderer Tag ist, finden an diesem Datum doch immer die Umrundungen mit dem Segelschiff um die Insel Hiddensee statt- sehr genehm war, wurde für uns eher anstrengend, da aufgrund des Gegenwindes die Rückfahrt noch einmal gute 30 Minuten länger dauerte, so dass wir heute insgesamt über 6,5 Stunden mit dem Schiff unterwegs waren.
Den wirklich ausgesprochen interessanten Ausführungen des Kapitäns konnte ich leider immer nur maximal mit einem Ohr lauschen, da ich ja immer mit Spielen mit den Zwillingen beschäftigt war, aber wir lernten immerhin, was man unter einem Brackwasser versteht (eine Mischung aus Süß- und Salzwasser) und dass die Ostsee das größte Brackwasser der Welt darstellt.
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